HÄTTE ICH DAS KINO!
Wo bleibt die Leidenschaft im deutschen Film?

10. Februar, Hanseatenweg 10, Studio

Wenn es überleben will, muß sich das Kino immer wieder neu erfinden. In krisenhaften Zeiten sind radikale Ansätze gefragt, lakonische Feststellungen, starke Sätze, die von Aufbruch und Ausbruch handeln.
1962 hieß es im legendären Oberhausener Manifest schlicht: „Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen." Mit freundlichen Grüssen von Alexander Kluge, Edgar Reitz, Peter Schamoni, Herbert Vesely, Christian Doermer und anderen.
Das Manifest von Oberhausen war nicht das erste Statement zum Stand der Dinge. Seltsam aktuell klingen diese Sätze: „Vorbei das Unerhörte, Gewagte, Riskante. Biederkeit glotzt uns an ... Keine Kühnheit mehr, die dort war, sei es auch nur im Gemeinen. Der Bürger hat triumphiert. Zu feig zum Exzess und zu mager duldet er nur eins: die Platitude."
Das könnte wohl auch von heutigen Filmemachern stammen: Forderungen nach einer rücksichtslosen Revolte gegen die Mittelmäßigkeit. Es war vor bald neunzig Jahren, 1920, als ein 23jähriger Student namens Carlo Mierendorff dem damaligen deutschen Film mit auftrumpfendem Gestus den Fehdehandschuh
hinwarf. Sein Manifest, ein Text von hohem filmhistorischem Rang, heißt HÄTTE ICH DAS KINO! Er schreibt: „Jetzt aber ist alles verbravt, geechtet, arm, weil phantasielos." Er verlangt: „Es muß versucht werden, an die Massen heranzukommen, soll nicht jeder Versuch hoffnungslos sein, das Dasein zu gestalten."
Mierendorffs steile expressionistische Streitschrift ist eine Aufforderung an uns, über den Zustand unseres Kinos nachzudenken. Der Text ist das Dokument einer leidenschaftlichen Affäre mit dem Film,ein Plädoyer für seine Einzigartigkeit unter den Künsten. Manches klingt für heutige Ohren vielleicht allzu pathetisch, aber auch jetzt und hier müssen wir darüber reden, streiten, was Kino überhaupt noch ist, wie es sich in einer Welt behaupten kann, wo es wieder mal ums Überleben kämpft: als Ort, als Zustand, als Form.
Wer heute Filme macht, sieht sich zur Leidenschaftlichkeit verpflichtet. Wie kann die aussehen? Was macht unser Kino unterscheidbar, attraktiv, der Zukunft zugewandt? Was ist überhaupt noch ein Kino Film?
Wir erwarten Thesen, Annäherungen, Vermutungen, Zuspitzungen von einigen der besten Köpfe des deutschen Kinos.

Hans-Christoph Blumenberg