18.8.2012, 10 Uhr

Freiheit für die inhaftierten Künstlerinnen der Band Pussy Riot!

Erklärungen der Akademie der Künste vom 17. und vom 2. August 2012 zum Urteil gegen die Künstlerinnen der Moskauer Punk-Band Pussy Riot

Das Urteil gegen Pussy Riot ist ein Skandal
Das gegen die drei Moskauer Künstlerinnen ergangene Urteil ist ein politischer Skandal.
Auch noch so provokante künstlerisch-politische Aktionen rechtfertigen keine derart drakonischen Strafen. Auf Dauer wird sich auch Russland zu einem zivilisierten Rechtssystem bekennen müssen, frei von jeder politischen Einflussnahme auf juristische Entscheidungen.
Bis das der Fall ist, fordert die Akademie der Künste FREIHEIT für alle verfolgten russischen Künstlerinnen und Künstler, die ihr Recht auf Kunst- und Meinungsfreiheit wahrnehmen.
Kein Schauprozess und kein noch so hartes Urteil wird den Geist der Freiheit unterdrücken können.

Klaus Staeck
Präsident der Akademie der Künste

 

Erklärung der Akademie der Künste vom 2. August 2012

Die drei angeklagten Musikerinnen der feministischen Punkband Pussy Riot befinden sich seit fünf Monaten in einem Moskauer Gefängnis in Untersuchungshaft, welche soeben bis Mitte Januar 2013 verlängert worden ist. Ihnen wird Rowdytum aus religiösem Hass vorgeworfen, es drohen bis zu sieben Jahre Haft.

Die Akademie der Künste, eine Sozietät von über 400 internationalen Künstlerinnen und Künstlern, ist empört über die Unverhältnismäßigkeit der Länge der Inhaftierung und das angedrohte Strafmaß. Mit ihrer Überreaktion stellen sich die russisch-orthodoxe Kirche und der russische Staat, beide eng miteinander verzahnt, außerhalb der Standards europäischer Kulturtraditionen. Auch wenn die künstlerisch-politische Aktion der Sängerinnen auf eine öffentliche Provokation abzielte, sind das Verfahren und die hohe Strafandrohung für einen Rechtsstaat unvertretbar. Laut dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gilt das Recht auf freie Meinungsäußerung auch für Ansichten, die den Staat oder Teile der Bevölkerung durch unkonventionelle Aktionen schockieren oder stören können. Die gewaltfreie Minuten-Aktion der Band Pussy Riot war eine friedliche, wenn auch scharfe Meinungsäußerung der Künstlerinnen gegen eine politische Entwicklung in ihrem Land.

Auch in Anbetracht der unverhältnismäßig langen Untersuchungshaft unter unwürdigen Bedingungen fordern wir die sofortige Freilassung der Künstlerinnen!

Klaus Staeck
Präsident der Akademie der Künste

 

Mannheimer Morgen, 18.8.2012 
Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste in Berlin, findet das Urteil gegen Pussy Riot skandalös
„Ungerechtfertigte, drakonische Strafe“

Von unserem Redaktionsmitglied Yasmin Akbal

Mannheim/Berlin. Weltweit hat der Prozess gegen die Punkerinnen von Pussy Riot Künstler zum Protest motiviert. Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste in Berlin, kommentiert die Haftstrafe gegenüber unserer Zeitung.
Herr Staeck, wie bewerten Sie den Schuldspruch?
Staeck: Das gegen die drei Moskauer Künstlerinnen ergangene Urteil ist ein politischer Skandal. Auch noch so provokante künstlerisch-politische Aktionen rechtfertigen keine derart drakonischen Strafen. Auf Dauer wird sich auch Russland zu einem zivilisierten Rechtssystem bekennen müssen, frei von jeder politischen Einflussnahme auf juristische Entscheidungen.

Wie haben Sie als Kunstschaffender den Prozess wahrgenommen?
Staeck: Die Botschaft der Aktion in der Erlöserkirche war primär eine politische gegen das System Putin. Die Justiz hat sich dagegen nach Kräften bemüht, diesen den Künstlerinnen wichtigen Aspekt völlig auszublenden. Die Mitglieder der verurteilten Punkband können auch nach diesem Skandalurteil auf unsere Solidarität zählen.

Die Anklage hat international Empörung ausgelöst. Sind Sie der Meinung, dass diese Proteste das Urteil von Richterin Syrowa beeinflusst haben?
Staeck: Die unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft und der Schauprozess haben sicher zu dieser Empörung beigetragen. Insoweit fand der Prozess ungewollt vor der Weltöffentlichkeit statt.

Mit welchen Folgen rechnen Sie für die Künstler-Szene in Russland?
Staeck: Auch dieses brutale Urteil wird den Geist der Freiheit, vor allem unter der russischen Jugend, nicht unterdrücken können. Ich halte es für fraglich, dass der beabsichtigte Abschreckungseffekt tatsächlich eintrifft. Eher ist zu vermuten, dass der Mut ansteckend wirkt.

Der inhaftierte Oppositionelle Michail Chodorkowskij wirft Präsident Wladimir Putin vor, den Prozess missbraucht zu haben, um einen zunehmenden Ansehensverlust auszugleichen. Stimmen Sie dem zu?
Staeck: Die Einlassung des Präsidenten nährt weiter den Verdacht, dass die russische Justiz nicht unabhängig agiert.

© Mannheimer Morgen

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