7.11.2012, 17 Uhr

Akademie der Künste trauert um Elliott Carter

Elliott Carter, Doyen der amerikanischen modernen Musik und einer der wichtigsten Komponisten des
20. Jahrhunderts, verstarb am 5. November 2012 im Alter von 103 Jahren.

Der große musikalische Poet Amerikas, wie er oft genannt wurde, war zugleich Zeitzeuge und Akteur einer ganzen Epoche musikalischer Entwicklung. 1908 in New York geboren, gehörte er zur ersten mit der Moderne aufwachsenden Generation. Er studierte in Harvard, war gut mit Charles Ives bekannt, verlebte drei intensive Studienjahre bei Nadia Boulanger in Paris und kehrte schließlich mit dem kompositorischen Rüstzeug beider kultureller Traditionen nach Amerika zurück.

Die Verbindung aus flexibler, experimentierfreudiger Haltung einerseits und dem an Präzision und Systematik geschulten europäischen Denken andererseits blieb für seinen weiteren Weg bestimmend.
Ausgehend vom Neoklassizismus wandte er sich zunehmend zeitgenössischen Erscheinungen zu, auch aus benachbarten Kunstbereichen wie dem Film. Er kombinierte ohne Scheu Gegensätzliches. So verschränkte er beispielsweise Techniken der Antipoden Igor Strawinsky und Arnold Schönberg in seiner Cellosonate von 1948. Mit seinem ersten Streichquartett (1951) gelang ihm der Entwurf einer eigenen musikalischen Sprache. Seine Partituren spiegeln eine akribische, komplex angelegte Arbeitsweise, die dem hohen artifiziellen Anspruch auf keiner Ebene nachgibt. Seine Musik galt ihm als eine Art Idealbild der Gesellschaft, indem sie der Einzelstimme, dem Individuum, Respekt zollt und zugleich Kategorien wie Ausdruck und Wahrnehmung unterordnet. Elliott Carter stand jene Form künstlerischer Souveränität zu Gebote, bei der sich alle technischen Details dem künstlerischen Mitteilungsbedürfnis fügen.
Besonders in seinen letzten Lebensjahrzehnten entfaltete er eine staunenswerte Produktivität. Als 90jähriger überraschte er mit seiner ersten Oper „What next?“, die 1999 unter Daniel Barenboims Leitung in der Staatsoper Unter den Linden uraufgeführt wurde. Sein Werkverzeichnis umfasst über 150 Arbeiten, darunter bedeutende Kammer- und Orchesterwerke wie „A Symphony of Three Orchestras“ (1976) oder „Three Illusions for Orchestra“ (2004).

Elliott Carter empfing höchste Ehrungen, erhielt u.a. die Goldene Medaille für Musik des National Institute of Arts and Letters, war Mitglied der American Academy of Arts and Letters und erhielt zweimal den Pulitzer-Preis. Seit 1971 gehörte er der Akademie der Künste an.


Klaus Staeck
Präsident der Akademie der Künste

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