17.5.2004

KONTRAPUNKT AKADEMIE: Was die "Wissensgesellschaft" nicht wissen will. Blinde Flecke der Zivilisation

Montag, 24. Mai 2004, 20.00 Uhr
Hanseatenweg 10, Berlin-Tiergarten

Adolf Muschg im Gespräch mit Hartmut von Hentig, Manfred Osten, Antje Vollmer, Roger de Weck und Yehuda Elkana

"Wissensgesellschaft" ist ein wohlklingender Deckname für ein Definitionsvakuum, wenn es um die Nachfolge der Industriegesellschaft geht. Mit einem andern Lückenbüßer, der "Dienstleistungsgesellschaft", hat sie jedenfalls die Abstraktion von Inhalten gemeinsam. Denn: so wenig die Beteiligten zu wissen brauchen, ob ein angebotener Dienst nützlich und nötig ist, so wenig soll über Wesen und Rang des "Wissens" ausgemacht sein. Genug, wenn es "nachgefragt" ist, also Macht bedeutet, nämlich Marktmacht, womit sich weitere Legitimation erübrigt. Denn der Markt entscheidet in der ihm zugesprochenen Freiheit darüber, welches Wissen sich lohnt.

Das gilt auch für jene Organisation des Wissens, die unter dem angesehenen, weil mit dem Geruch von Objektivität ausgestatteten Titel "Wissenschaft" firmiert. Auch sie untersteht insofern dem ökonomischen Imperativ, als sich das von ihr geschaffene Produkt am Ende bezahlt machen und den durch Bildungswesen und Forschungseinrichtungen erbrachten Aufwand rechtfertigen muss. Das Wissen ist Mittel zum Zweck: es verheißt denen, welche sich die neue Schlüsselkompetenz erworben haben, privilegierten Zugang zur Rendite der "Wissensgesellschaft".

Angesichts der materiellen Explosion des Wissbaren und möglicherweise Wissenswerten zeigt sich der Sachzwang, Wissen an Informatikwerkzeuge zu delegieren, die es unbeschränkt verfügbar machen. Die im Internet verkörperte Deregulierung von Inhalten zerstört tendenziell das Organ für die Wahrnehmung ihres Ranges. Gleich gültige Informationen werden gleichgültig. Die "Wissensgesellschaft" betrachtet es als Fortschritt, ihren Teilnehmern die Mühe zu sparen, von Daten kritisch Gebrauch zu machen. Sie liefert das Knowhow, wie und wo man Daten "abholt", und blendet den Kontext aus, in dem Wissen seinen Namen erst verdient.

Gast bei dem Gespräch über das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Macht im Zeitalter der neuen Medien ist der Philosoph und Wissenschaftshistoriker Yehuda Elkana. Seit 1987 Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, von 1995 bis 1999 ordentlicher Professor für Wissenschaftsphilosophie an der ETH Zürich, seit 1997 Mitglied des Beirats des Collegium Helveticum der ETH Zürich, seit 1999 Präsident und Rektor der Central European University in Budapest.

Eintritt € 5,-/ erm. € 4,-

Informationen zum Programm
Dr. Hans Gerhard Hannesen, Tel. (030) 39076-130, Dr. Marion Neumann, Tel. (030) 39076-129
Pressekarten Tel: (030) 39076-321 / -173, Fax -175

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