9.5.2009

Erklärung der Akademie der Künste auf der Frühjahrsmitgliederversammlung (8./9. Mai)

Akademie der Künste zum Schutz des Urheberrechts im Zeitalter digitaler Reproduzierbarkeit und weltweiter Verbreitung über das Internet

Gesetzgeber der Europäischen Union und aller übrigen Nationen, die am weltweiten Austausch geistiger Güter teilnehmen, sind aufgefordert, verbindliche Regeln zur Wahrung des Urheberrechts als Grundlage für den Schutz des geistigen Eigentums dem neuesten technologischen Stand der Vervielfältigung und Verbreitung anzupassen.

Zwei grundsätzliche Interessen stoßen aufeinander:
– die Forderung nach freier Verfügbarkeit über alle kulturellen Güter sowie nach ungehindertem     
   öffentlichen Zugang zu Online-Archiven
– der Kampf der Kreativen gegen eine großangelegte Enteignung geistigen Eigentums, gegen die
   fortschreitende Aushöhlung der Urheberrechte im Zeitalter des Digitalkopierens

Gemeinsam mit den Politikern in der Europäischen Union müssen Gesetze geschaffen und internationale Abkommen initiiert werden, die der Auflösung des Urheberrechts entgegenwirken. Doch nicht zuletzt muss das Urheberrecht selbst auf die Höhe des digitalen Zeitalters gebracht werden, um kommende Entwicklungen zu berücksichtigen und eine Austrocknung der wirtschaftlichen Grundlagen für die Produktion von Wissen, Information und Kunst zu verhindern.

Der jüngste Akt der drohenden Monopolisierung des Weltliteraturerbes und aller Künste durch Google und die symbolische Abspeisung betroffener Autoren sind ein Angriff gegen den Schutz geistigen Eigentums. Bisher auch grenzüberschreitend verbindliche Regeln könnten sich auflösen, wenn der US-Bundesgerichtshof das „Google Book Settlement“, das viele für eine Zwangslizenz halten, legitimiert.

Es bedarf nun dringend einer neuen Ordnung zum Schutz geistiger Güter im Zeitalter der digitalen Reproduzierbarkeit.

Berlin, 8. Mai 2009

Anmerkungen zur Akademie-Erklärung zum Urheberrecht

Das Urheberrecht ist in akuter Gefahr, wenn seiner Erosion weiterhin tatenlos zugesehen wird. Diese Gefahr betrifft weite Bereiche der Kultur, speziell die Künste, die Medien und die Wissenschaften.
Digitalem Freibeutertum muss gesetzlich Einhalt geboten werden. Geschieht dies nicht, folgen zwangs¬läufig gravierende Einschnitte im Literatur- und Medienmarkt, in der Musikindustrie, in der Fotografie und Bildenden Kunst, in der Wissenschaft, letztlich in allen Bereichen geistiger Produktion, weil Investitionen und nicht zuletzt die Sicherung des Lebensunterhalts der Kreativen nicht mehr ausreichend finanziert werden können.
Die stetig steigende Bedeutung des Internets als weltweiter Börse für Information, Gedanken- und Kulturaustausch kann nicht als Alibi dienen, geistiges Eigentum durch kostenlose Vervielfältigung und unkontrollierte Verbreitung auszubeuten.
Die Aufzeichnung, das Kopieren und der Transport digitaler Daten verändern unseren Umgang mit Informationen aus Kultur und Wissenschaft, Unterhaltung und Journalismus. Die technisch unkomplizierte und revolutionierend schnelle Verfügbarkeit über vervielfältigte Inhalte kann keinen rechtsfreien Raum gegenüber den Ansprüchen der Urheber legitimieren. Gleichzeitig wäre es anachronistisch und unrealistisch, das Internet zu beschränken und unangemessen zu reglementieren, um zum Beispiel Buchproduzenten vor den Herausforderungen digitaler Medien zu schützen. Deshalb müssen realistische Wege für eine Koexistenz konventioneller Verlage und seriös verwalteter digitaler Portale gefunden werden. Die freiwillige Teilnahme am Open Access in der Online-Verbreitung von Forschungsergebnissen ist legitim und einer global vernetzten Welt der Wissenschaft angemessen. Wer immer wissenschaftlich-technischen Fortschritt mit Restriktionen aufhalten wollte, wurde bislang früher oder später dafür bestraft. Deshalb dürfen die Chancen, die sich aus der technischen Entwicklung in der Distribution wissenschaft¬licher Erkenntnisse und kulturellen Gemeinguts ergeben, nicht verteufelt werden.
In der Bundesrepublik Deutschland müssen sich Politik und Gesetzgeber mit mehr Verantwortung und schneller als bisher den aktuellen Herausforderungen stellen: es geht darum, das Urheberrecht als eine Grundlage fairen Handels mit geistigem Eigentum zu respektieren und entschieden durchzusetzen. Zugleich müssen Verwertungsgesellschaften, Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Verlage, Musikproduzenten sowie die Kreativen aller Branchen die Herausforderungen des weltweiten Netzes und der Digitalisierung annehmen und neue, zeitgemäße Geschäftsmodelle entwickeln. Keine Maschinen¬stürmerei wird helfen, Internet und Suchmaschinentechnologie zu besiegen. Neue Regeln des Respekts vor geistiger Arbeit müssen entwickelt und zur Geltung gebracht werden.


 

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