30.9.2016

Archiv von Ronald M. Schernikau in der Akademie der Künste

Die Akademie der Künste eröffnet am 7. Oktober das Ronald-M.-Schernikau-Archiv mit einer Veranstaltung. Der zu früh verstorbene Schriftsteller war ein profunder Kenner und pointierter Kritiker der deutschen Nachkriegswirklichkeiten. In seinem vielschichtigen kompromisslosen Werk wollte er gesellschaftliche Prozesse erklären, sprengte dabei tradierte Textformen und entwickelte eigene. Sein Nachlass enthält zahlreiche Werkmanuskripte, Korrespondenz (u.a. mit Günter Amendt, Ulrich Berkes, Gisela Elsner, Peter Hacks, Bernd Heimberger, Elfriede Jelinek, Inge Keller, Dietrich Kittner, Gisela Kraft, Irmtraud Morgner, Stefan Ripplinger, Erika Runge) und größere werkbezogene und thematische Sammlungen. Das nunmehr erschlossene Archiv erstreckt sich über fünf Regalmeter und steht der interessierten Öffentlichkeit ab sofort zur Einsicht bereit.

Ronald M. Schernikau (1960-1991), in Magdeburg geboren, verließ 1966 mit der Mutter die DDR und wuchs in Lehrte bei Hannover auf. Schon früh rebellierte der hochintelligente, sensible Junge gegen das Leben in der niedersächsischen Provinz. Noch vor dem Abitur veröffentlichte er sein erstes Buch Kleinstadtnovelle, in dem er das Coming-out eines jungen Mannes und die kleinbürgerlichen Reaktionen seiner Umwelt beschrieb. Mit 20 Jahren zog Schernikau nach West-Berlin, begann ein Studium, wurde Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei Westberlins (SEW) und genoss das Leben in der unkonventionellen Schwulenszene. 1986 wurde er als erster Westdeutscher in das Leipziger Literaturinstitut „Johannes R. Becher“ aufgenommen. Die folgenden Jahre in Leipzig fanden in dem viel beachteten Band Die Tage in L. ihren literarischen Niederschlag. Bald erkannte Schernikau die politische Begrenztheit und Borniertheit des DDR-Systems, doch konnten diese Erfahrungen seine Vorstellungen von einem gesellschaftlichen Ideal nicht zerstören. Im Herbst 1989 erhielt er auf eigenen Wunsch die Staatsbürgerschaft der DDR, übersiedelte nach Ost-Berlin und wurde Lektor beim Henschelverlag. Daneben arbeitete er an seinem Hauptwerk Legende, das er vor seinem Tod noch beenden konnte.

Die Archiveröffnung, die in Kooperation mit schernikau.net vorbereitet wurde, erinnert mit einer Lesung aus Schriften und Nachlassdokumenten, Musik und Filmausschnitten an den Autor. Mit Sabine Wolf (Begrüßung), Stefan Ripplinger (Einführung), Ursula Werner und Thorsten Hierse (Lesung), Volkmar Paschold (Musik).

Veranstaltungsdaten
Freitag, 7. Oktober 2016, 20 Uhr, Eintritt 5/3 €
Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin
Kartenreservierungen Tel. 030 20057-2000 oder online über www.adk.de
Pressekarten unter Tel. 030 20057-1514 oder presse@adk.de

Für Rückfragen
Petra Uhlmann, Literaturarchiv, Tel. 030 20057 2131