30.10.2004

Herbst-Mitgliederversammlung der Akademie der Künste beendet

Die Akademie der Künste, Berlin, hatte für den 29. und 30. Oktober zur Herbst-Mitglieder-versammlung eingeladen. Im Plenum und in den sechs Kunstabteilungen beschäftigten sich mehr als 110 anwesende Mitglieder mit den Perspektiven ihrer Arbeit in den nächsten Jahren, nachdem der Terminplan für den Einzug in den Neubau am Pariser Platz 4 feststeht (Eröffnung im Mai 2005). Insbesondere haben sich die Mitglieder mit den Erwartungen einer gewachsenen öffentlichen Wirksamkeit beschäftigt und daraus Schlußfolgerungen für die weitere Programmarbeit in den beiden Häusern Hanseatenweg und Pariser Platz gezogen. Die Akademie, die sich nunmehr seit der Übernahme durch den Bund als Institution von gesamtstaatlicher Bedeutung versteht, hat ihren Anspruch als europäische Mitgliedersocietät bekräftigt. Sie wird sich am Aufbau eines Netzwerkes der deutschen und europäischen Akademien der Künste und der Wissenschaften aktiv beteiligen. Daneben standen Fragen der Neufassung ihrer Satzung und der Reform ihrer Strukturen im Mittelpunkt der lebhaften Diskussion.

Nach Gesprächen mit dem Mitglied der Abteilung Baukunst, Peter Zumthor, verabschiedete das Plenum angesichts der unmittelbar bevorstehenden Zerstörung bereits errichteter Bauten auf dem Gelände der "Topographie des Terrors" eine Empfehlung an den Berliner Bausenat. Die Akademie der Künste empfiehlt, den technisch und finanziell aufwendigen Abbruch der bereits errichteten Bauteile des Projekts von Zumthor zumindest so lange auszusetzen, bis entweder Voraussetzungen für einen Weiterbau oder für einen anderen angemessenen Umgang mit dem Gelände gegeben sind. Die Möglichkeit einer weiteren Verwendung der Treppentürme sollte jetzt nicht kurzfristig ausgeschlossen werden.

Außerdem verabschiedete die Plenarversammlung eine von der Abteilung Literatur eingebrachte Erklärung zum weiteren Umgang mit der Rechtschreibreform. Die Akademie der Künste hatte bereits mehrfach (zuletzt im August dieses Jahres gemeinsam mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, zuvor in einem Offenen Brief mit den Präsidenten von zehn anderen Akademien der Wissenschaften und der Künste) bei der Kultusministerkonferenz interveniert. Da diese mehrfachen Einsprüche bisher weitgehend ignoriert worden waren, hat die Akademie erneut eine Entschließung gefasst und wendet sich mit dieser an die Öffentlichkeit.

Der Wortlaut der Erklärung:

Der Versuch, die deutsche Rechtschreibung durch Einsatz der über Schulen und Ämter verfügenden Staatsgewalt nach den Maßgaben pädagogischer Scheinrationalität umzugestalten, ist gescheitert; die Vorgabe der Reformer, daß die Schreibweise nichts mit der Sprache zu tun habe, hat sich im kostspieligen Großversuch auf breiter Front als unhaltbar erwiesen. Das Ziel der Reformer - die Erleichterung des Erlernens einer einheitlichen Orthographie - und das Ergebnis ihrer staatsgestützten Bemühungen – die Zerstörung der einheitlichen Orthographie bei Steigerung und Verlagerung der Erschwernisse – klaffen so weit auseinander, daß die Auflösung der für die Reform und ihre überfallartige Einführung verantwortlichen Zwischenstaatlichen Kommission folgerichtig war.

In dieser Situation muß der Versuch des interministeriellen Zentralorgans, das die sogenannte Reform betrieben und durchgesetzt hat, jene Zwischenstaatliche Kommission durch einen 36köpfigen "Rat für Rechtschreibung" zu ersetzen, in dem die deutschen, österreichischen und schweizerischen Konstrukteure der mißglückten Reform von vornherein über die Mehrheit verfügen, für einen Etikettenschwindel gelten. Der Beschluß zur Etablierung eines ebenso unförmigen wie präformierten Ratsgebildes läuft auf die Fortsetzung der Staatsanmaßung hinaus, die an der Wurzel des mißglückten Reformunternehmens steht. Es gilt, die Verantwortung für die Zukunft der deutschen Rechtschreibung an eine Institution zu geben, die eine umfassende staatsunabhängige Kompetenz versammelt, das ist die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Sie zählt Sprachwissenschaftler, Schriftsteller, Publizisten, Übersetzer und Pädagogen hohen Ranges aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und dem Bereich der Auslandsgermanistik zu ihren Mitgliedern und ist durch ihren Namen, ihre Verfassung und die in ihr versammelte Fachkompetenz mehr als andere Institutionen dazu befugt, Verantwortung für die Neubildung eines Gremiums übertragen zu bekommen, das in Zusammenarbeit mit andern Fachleuten die Einheit der deutschen Rechtschreibung wiederherstellt.

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