Kunst und Krise IV. Deutsch-Spanische Kulturbegegnung

Eröffnungsveranstaltung

Was bedeutet die gegenwärtige Wirtschaftskrise für die Bildenden Künste in Deutschland und Spanien? Künstler, Galeristen, Medienvertreter, Museumsdirektoren, Kuratoren, Kritiker und Philosophen werden in der IV. Deutsch-Spanischen Kulturbegegnung des Instituto Cervantes Berlin und des Goethe-Instituts Strategien für einen kreativen Umgang mit der Krise diskutieren (28./29.5. im Instituto Cervantes Berlin).

Zur Eröffnung in der Akademie der Künste sprechen die Direktorin des Instituto Cervantes, Carmen Caffarel, der Generalsekretär des Goethe-Instituts, Hans-Georg Knopp, der Schriftsteller Félix de Azúa und Klaus Staeck als Gastgeber. Die Konzeptkünstler Christian Jankowski und Santiago Sierra kommentieren das Thema in öffentlichen Interventionen.

Gefördert von der Staatlichen spanischen Gesellschaft für Kulturförderung im Ausland (SEACEX)
Anmeldung unter www.cervantes.de/kunstundkrise

Donnerstag, 27.5.2010

17 Uhr

Pariser Platz

Plenarsaal

Eröffnung u.a. mit Christian Jankowski und Santiago Sierra
Informationen/Anmeldung unter www.cervantes.de/kunstundkrise 

Dokumentation
Die Rede von Klaus Staeck im Wortlaut (alle Rechte beim Autor):

Für meine Edition – mit Arbeiten von Beuys, Broodthaers, Palermo, Christo, Dieter Roth, Vostell, Darboven, Richter, Spoerri, Polke, Canogar, Equipo Cronica, um nur einige zu nennen – habe ich über die Jahre mit zwei Slogans geworben:
- 1. Kunst kennt keine Krise und
- 2. Ihr Geld ist bei uns in den besten Händen

Beide haben sich seit 45 Jahren bewährt. Als Künstler und Verleger befinde ich mich stets in einer Doppelrolle, ergänzt durch die Funktion des gewählten Akademie-Präsidenten.

Der Handel mit Plakaten erweist sich als stabil: vor der Krise 5 Euro, in der Krise, nach der Krise ebenfalls 5 Euro. Nachfrage und Ausstellungen haben eher zugenommen. Auch auf dem Grafikmarkt keine besonderen Vorkommnisse. Nur die Nachfrage nach krisenfesten Originalen ist sprunghaft gestiegen, da inzwischen auch der kleine Sammler den Währungen nicht mehr traut. Zusammen mit Hans Haacke habe ich 1996 die DÜSSELDORFER ERKLÄRUNG „KUNST UND GELD“ verfasst. Ihr schlossen sich binnen Kurzem hunderte von Künstlern, Kritikern und Museumsleute an. Der zentrale Satz unseres Manifestes lautete: „Jede private Mark (heute Euro), die zusätzlich in die Kultur fließt, ist zu begrüßen. Jede private Mark (Euro) jedoch, die eine öffentliche ablöst, birgt die Gefahr einseitiger Einflussnahme von Privatpersonen und Unternehmen auf öffentliche Institutionen“. Dass unsere Warnungen überall gehört wurden, lässt sich nicht gerade behaupten. Wären sie ernst genommen worden, hätte sich nicht so manches Kunstschweinchen Schlau in den Institutionen auf die scheinbar endlos sprudelnden Quellen Sponsoring und Private Partnership verlassen. Haben die Sponsoren mehrheitlich schon immer auf Events gesetzt, drehen viele in Krisenzeiten den Geldhahn ganz zu. So klopfen viele Vermittler wieder bei Vater Staat an, der in Deutschland schon immer bis zu 95% der Kulturausgaben trug. Aber auch der bleibt von der Krise, verursacht durch kriminelle Machenschaften eines international agierenden Bankenkartells, nicht verschont. So tragen bei uns die Kommunen um die 50% zur Finanzierung der immer noch üppigen Kultureinrichtungen bei, in Ruhrgebietsstädten bis zu 80%. Aber was bedeutet das für die Kultur, wenn jetzt der Städteund Gemeindebund befürchtet, dass mehr als die Hälfte des Kommunen kurz vor der Pleite steht? Denn wer von Kultur redet, muss Bildung als wichtigste Ressource immer mitdenken. Hier gilt es Verteidigungslinien zu organisieren. Auch unsere Akademie macht sich Gedanken, wie sie aktiv werden kann. Dabei gerät der gute alte Begriff Solidarität wieder in Erinnerung.

Es bereitet mir übrigens keine Genugtuung, dass nun eingetreten ist, was nicht nur von mir jahrelang prophezeit wurde, der Zusammenbruch eines auf Privatisierung und Deregulierung setzenden neoliberalen Systems auch im Kunst- und Kulturbetrieb. Zu allem Überfluss wird der jahrelang als Hindernis für die freie Marktwirtschaft verteufelte Staat jetzt noch via Steuerzahler für die Milliardenschäden der Casinozocker in Haftung genommen. Es sollte auch Sache der Kunst sein, solche Prozesse unverfrorenen Handelns sichtbar zu machen und nach Auswegen zu suchen.

Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass an jenem 15. September 2008, an dem der Zusammenbruch von Lehmann Brothers die Finanzwelt an den Rand des Abgrunds führte. An demselben Tage trennte sich Damien Hirst bei Sotheby’s für 111 Mio. Pfund von einem Teil seiner Arbeiten. Wenn das ein Zufall war, so jedenfalls ein symptomatischer. Symbol einer kapitalen Welt, die völlig aus den Fugen zu geraten scheint.

Zuviel der Symbolik, ja fast an Kitsch grenzend, wäre es gewesen, wenn zu diesem Konvolut sein für 57,2 Mio. Euro versteigerter mit Diamanten besetzter Totenschädel gehört hätte. Sollten jedoch einmal Motive für Geldscheine einer neuen globalen Währung gesucht werden, was böte sich besser an, als jener Totenkopf, flankiert von seinen in Formaldehyd schwimmenden Tierkadavern. Schließlich ist laut BILD, Deutschlands größter Kunstzeitung, Kollege Hirst mit geschätzten 730 Mio. Euro der reichste Künstler der Welt, gefolgt von Jeff Koons mit schlappen 510 Mio. Euro.

Gemessen an den unvermindert fließenden Boni der Hassadeure von der Wall-Street und ihrer weltweiten Wurmfortsätze sind diese Summen allerdings immer noch Peanuts.

Die großen Auktionshäuser sind die Intensivstationen einer fiebernden Branche, die mit Geld viel und mit Wertschätzung für die Kunst nicht unbedingt etwas zu tun haben muss. Der Auktionssaal als „Enklave des global vagabundierenden Kapitals, das in der zeitgenössischen Kunst einen Halt finden will, wie spekulativ auch immer“ hat es die FAZ im September 2008 formuliert.

Jüngste Wasserstandsmeldung aus der Anstalt: vor kurzem versteigert, 84 Mio. Euro für Picassos Gemälde „Nackte, grüne Blätter und Büste“. Es ist der höchste Auktionspreis, der je für ein Kunstwerk gezahlt wurde. Von 2003 bis zum Herbst 2008 baute sich eine bespiellose Blase des Kunstmarkts auf, gespeist aus Gier und dem Wahn der Superreichen, zeitgenössische Kunst zu sammeln. Schon ein Monat nach der spektakulären Hirst-Auktion bei Sotheby’s kollabierte der Markt um 40% im November 2008, zu Februar 2009 um 75%.

Was sagt nun die globale Armee der erfolglosen oder noch nicht so erfolgreichen bildenden Künstler zu diesen Rekorden? Allein in Berlin soll es einige tausend von dieser Spezies geben. Wahrscheinlich staunen sie und hoffen. Sicher scheint, dass sie nicht Damien Hirsts Einschätzung teilen, der im September 2008 nach seinem Auktions-Rekord feststellte: „Der Kunstmarkt ist größer als irgend jemand weiß. Die Zukunft sieht für alle gut aus.“ Wirklich für alle? Künstler werden sich wohl oder übel wieder mehr mit politischen Vorgängen beschäftigen müssen. Schließlich haben sie sich wie die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung das Politische weitgehend abtrainiert bzw. sich abtrainieren lassen und stehen nun überrascht vor den einstürzenden Alt- und Neubauten. Denn der Kunstfreund nahm und nimmt gern übel, wenn sich Künstler in ihrer Kunst mit den politischen Gegebenheiten auseinandersetzen. Dennoch schlechte Zeiten für all jene, die sich in ihrer Rolle als Dekorateure der Macht häuslich eingerichtet haben. Nicht wenige, vor allem jüngere Künstler beginnen, die Mechanismen zu durchschauen und organisieren sich selbst in kritischer Distanz zum Marktgeschehen. Sie betrifft weder so noch so, was eine von der Kunstmesse Maastricht in Auftrag gegebene Studie jetzt ermittelt hat. Danach erweist sich der globale Kunstmarkt dennoch stabiler als erwartet. Anstelle teurer Autos oder Privatjets hätten sich wohlhabende Käufer „Vermögensformen mit langfristigen und fühlbaren Werten wie Kunst und Antiquitäten zugewandt“. Zurück zur Kunst. Sie gerät nach meiner Überzeugung erst dann wirklich in die Krise, wenn sie zur reinen Geldanlage mutiert. Es ist auch Sache der Künstler, das zu verhindern.