Bildmotiv nach Filmstill aus der Bayreuther Lohengrin Inszenierung von Hans Neuenfels © Björn Verloh

EINAR SCHLEEF

EIN ZERSCHUNDENER,
MIT EINEM DRECKLAPPEN
UMWICKELTER, MÜDER
›HELD‹
Einar Schleef, 1997


Wagners PARSIFAL knüpft an die antiken Autoren an, versucht, ihre Konstellationen und Fragestellungen neu zu beleben. Es gelingt ihm, in der Kundry-Figur das gesamte thematische Material zu bündeln. Kundry wird so zu einer der monumentalen Figuren-Findungen der dramatischen Literatur, zu einer Figur, die die Bühne betritt und den Tod sucht. Am Ende auch als Gnade erhält, womit die männliche Gruppierung, die Gralsarmee und ihr Führer, unter erneuter Kraftzufuhr ihren Herrschaftsanspruch beleben. In Kundry kämpfen der antike Ansatz und der christliche, die, einander feind, die Kundry-Figur vom Ansatz her sprengen, die sich notgedrungen in 2 konträren Figuren formulieren. Wagner folgt diesem Vorgang nur, findet zur alten Kundry ihre junge Entsprechung. […]
Die Wiedererstarkung der Gralsarmee und die Übernahme von Kampfaufträgen zur völligen Vernichtung des Islam finden nicht statt. Was viele Interpreten als "präfaschistische Privatreligion" Wagners und seines Clans sehen, sieht auf der Bühne so aus: Ein zerschundener, mit einem Drecklappen umwickelter, müder "Held" mischt sich unerkannt unter die revoltierenden, verhungernden Mannschaften der Gralsarmee, so sagt der Text, selten dessen Inszenierung.
Einar Schleef, Droge Faust Parsifal, Berlin 1997, S. 16


Einar Schleef, Zeichnung zum Inszenierungskonzept
für Parsifal, 1994, Einar-Schleef-Archiv, Akademie der
Künste, Berlin © VG Bild-Kunst, Bonn 2012


EINAR SCHLEEF
Regisseur, Bühnenbildner, Schriftsteller, Maler, Fotograf, 1944 in Sangerhausen geboren, 2001 in Berlin gestorben, 1964–1971 Malerei- und Bühnenbild- Studium an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee u. a. bei Heinrich Kilger, 1971–1973 Meisterschüler an der Akademie der Künste bei Karl von Appen, 1972–1975 erste wichtige Theaterarbeiten am Berliner Ensemble, 1976 Republikflucht, 1980 und 1984 erschienen die beiden Bände des Romans Gertrud, 1985–1990 Theaterarbeiten am Schauspiel Frankfurt, danach Arbeiten als freier Regisseur am Berliner Ensemble, in Düsseldorf, am Burgtheater Wien und am Deutschen Theater Berlin.
Wagner-Arbeiten: Parsifal, 1994 Staatstheater Nürnberg, Inszenierung abgebrochen; Droge Faust Parsifal, Berlin 1997; "Tief echt volksverbunden", in: Wolfgang Storch (Hg.), Der Raum Bayreuth, Frankfurt am Main 2002


 


In der Ausstellung
● Zeichnungen zum Parsifal, 1994, jeweils 29,7 x 21 cm.
Ausgewählt von Wolfgang Behrens
● Plakatentwurf
Veranstaltung
Sonntag, 16.12.12, 17 Uhr
● DROGE FAUST PARSIFAL
Lesung aus dem Buch von Einar Schleef.
Mit Jutta Hoffmann und Wolfgang Behrens (Einführung)