6.7.2017, 11 Uhr

Akademie der Künste trauert um Daniil Granin

Am 4. Juli ist in Sankt Petersburg im Alter von 98 Jahren der russische Schriftsteller Daniil Alexandrowitsch Granin verstorben. Seit 1986 war er zuerst Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Künste, Berlin (Ost), Sektion Literatur und Sprachpflege, und seit 1994 Mitglied der nun Ost-West-vereinigten Akademie der Künste, Sektion Literatur.

Granin studierte Elektromechanik, war Soldat im Zweiten Weltkrieg und wurde 1950 in seinem Studienfach promoviert. Doch schon 1949 veröffentlichte er den Erzählungsband Die eigene Meinung, in dem er sich vorsichtig kritisch mit der Politik der KPdSU auseinandersetzte. Seit 1967 war er Mitglied im Redaktionskollegium der Literaturzeitschrift Newa und Mitglied im Präsidium des Schriftstellerverbands. 1989 war er der erste Präsident des neu gegründeten Sowjetischen P.E.N.-Zentrums.

Ingo Schulze, Mitglied der Sektion Literatur der Akademie, erinnert an ihn: „Ich hatte immer gehofft, Daniil Granin doch noch einmal wiedersehen zu können. Die Freundlichkeit, mit der er uns gegenübertrat, seine Aufmerksamkeit und sein Interesse an allem, schufen sofort eine freie Atmosphäre, in der jede Frage möglich wurde. Trotz seines Alters wies er im Bundestag den Stuhl von sich, der ihm am Rednerpult nachdrücklich angeboten wurde. Er wollte stehen, weil es ein Totengedenken war. Daniil Granin hielt keine Rede. Und doch ist es die eindrucksvollste Rede gewesen, die ich selbst gehört habe. Er beschrieb den Alltag der Leningrader Blockade – eine Schilderung, die den Zuhörern nichts ersparte. Und zugleich fragte er immer wieder staunend, wie das hatte möglich werden können. Sein Gestus und sein Tonfall waren frei von jedem Vorwurf an uns Deutsche. Alles zu benennen und trotzdem die Kraft zu haben, sich danach noch die Hand zu reichen, ist ein Geschenk, das uns das älteste Mitglied unserer Sektion gemacht hat.“

Mit Daniil Granin verliert die Akademie der Künste eine bedeutende Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts, einen Zeitzeugen auch der Schrecken, dem Versöhnung ein wesentliches Anliegen seines Lebens war. Wir werden ihn in Erinnerung bewahren.

Jeanine Meerapfel
Präsidentin der Akademie der Künste