Berlin-Stipendium 2020 — Literatur

Mohamed Mbougar Sarr

*1990 in Dakar (SN)

lebt in Paris (FR)

Vita

Ich bin im Senegal geboren und besuchte dort das Collège und Lycée an einem Militärinstitut. Danach ging ich nach Frankreich und studierte Literatur und Philosophie in Paris. Ich interessiere mich sehr für post- und dekoloniale Werke und Ideen. Bisher habe ich drei Romane veröffentlicht, in denen jeweils die Komplexität bestimmter aktueller Umstände an verschiedenen Orten hinterfragt wird (Terrorismus in Westafrika, Gastfreundschaft (oder auch nicht) gegenüber Immigranten in Sizilien, Homosexualität im Senegal). Man könnte sagen, dass bei diesen Romanen das Politische und Gesellschaftliche im Mittelpunkt stand. Derzeit gilt meine Obsession mehr der Literatur selbst: ihrer Macht, ihren Möglichkeiten, ihrem Versagen, ihren Geheimnissen. Welche Erwartungen haben Menschen an einen Schriftsteller und welche Erwartungen habe ich an die Literatur?

Residency

Durch die Erfahrung der Literatur leben: darum wird es in meinem nächsten Roman hauptsächlich gehen. Unter all den Fragen, die ich habe, ist eine sehr einfache: Habe ich es mir ausgesucht, zu schreiben? Ich habe den Vater meines Vaters, Mbougar I., nie kennengelernt. Aber ich habe viele unglaubliche Geschichten über diesen legendären Mann gehört, der gleichzeitig traditioneller Arzt, Zauberer, aufgeklärter Geist, (sehr) großfüßiger und barfüßiger Mann und eine Art „Wahrsager" war. Letztes Jahr erfuhr ich von einer „Prophezeiung", die er angeblich ein halbes Jahrhundert vor meiner Geburt machte: Er „sah" einen seiner Enkel, „der durch Tinte leben würde". Darüber möchte ich etwas schreiben: nicht konkret über meinen Großvater oder mich, sondern allgemeiner über die vielfältigen Arten, auf die sich auf einem Lebensweg eine innere Berufung einstellt, durch die Zeiten, durch Geschichten, Mythen und die Realität.