Das Reinhard-Döhl-Archiv

Das umfangreiche Archiv des Stuttgarter Autors, Germanisten, Medienwissenschaftlers und Bildenden Künstlers Reinhard Döhl (*1934 in Wattenscheid – †2004 in Stuttgart) ist nach dem Abschluß der archivischen Bearbeitung nunmehr vollständig für die Benutzung zugänglich.

Reinhard Döhls äußerst breitgefächertes Schaffen reicht von literarischen Werken wie Hörspielen und Stücken, Kurzprosa und Lyrik, konkreter und visueller Poesie, experimenteller- und Computerliteratur, Internetprojekten, essayistischen Arbeiten über Literatur und Bildende Kunst über künstlerische Arbeiten wie Mail Art, Collagen und japanische Kalligraphie bis hin zu wissenschaftlichen Arbeiten zur Literatur-, Hörspiel- und Mediengeschichte.

Dieses vielfältige Werk wird in dem 23 lfm. großen Archivbestand umfassend dokumentiert. Das Reinhard-Döhl-Archiv enthält Unterlagen aus allen Schaffensperioden, darunter Werkmanuskripte literarischer, essayistischer und wissenschaftlicher Arbeiten, Korrespondenz, umfangreiche Sammlungen, Arbeitsmaterialien und Tondokumente, z.B. zur Hörspiel- und Mediengeschichte, zu Autoren und Künstlern oder zu den „Tagen für neue Literatur in Hof“.

Druckschriften, darunter Künstlerpublikationen und Kataloge und von Döhl betreute wissenschaftliche Arbeiten wurden in die Bibliothek des Akademie-Archivs aufgenommen. In der Kunstsammlung werden ausgewählte bildkünstlerische Arbeiten von Reinhard Döhl sowie Werke anderer Künstler aus seiner Sammlung betreut.

Reinhard Döhl war 1959 auf Einladung von Max Bense nach Stuttgart gekommen, nachdem er als Göttinger Student nach der Veröffentlichung des Gedichtes „missa profana“ wegen Gotteslästerung angezeigt, im Gerichtsprozeß jedoch freigesprochen worden war. 

In den 60-er Jahren gehörte Döhl neben Helmut Heißenbüttel, Franz Mon, Ernst Jandl und anderen der „Stuttgarter Gruppe“ um Max Bense an, welche experimentelle Literatur und Kunst hervorbrachte und international diskutierte. Eine bedeutende Rolle spielte dabei die konkrete Poesie in visueller und akustischer Form, daneben aber auch erste Versuche zur Erzeugung „künstlicher Poesie“ und Computergrafik mit Hilfe des Computers ZUSE Z 22 oder die Collage als Grenzform zwischen Literatur und Kunst.

Der künstlerische Dialog war für Reinhard Döhl ein zentraler Aspekt seines gesamten Schaffens. Die seit den 60-er Jahren bestehenden vielfältigen Kontakte zu Literaten und Künstlern z.B. aus Frankreich, der Türkei, der Tschechoslowakei, Brasilien oder Japan, wurden von Reinhard Döhl langjährig gepflegt und führten zu zahlreichen literarisch-künstlerischen Gemeinschaftsprojekten, wie z.B. Mail Art oder die „poetischen Korrespondenzen“, die in der Tradition eines japanischen Kettengedichtes (Renga oder Renshi) von mehreren Personen auf dem Postwege in der Regel mehrsprachig geschrieben wurden. Später wurden Gemeinschaftsprojekte auch im Internet realisiert, z.B. „Poemchess“.

Auf dem Gebiet der Bildenden Kunst arbeitete Döhl mit Künstlern wie dem japanischen Sho-Maler Kei Suzuki, dem Typographen Klaus Burkhardt oder dem Stuttgarter Maler Wolfgang Ehehalt zusammen; seine Collagen, Druckgrafiken und Sho-Bilder wurden auf zahlreichen Gemeinschafts- und einer Reihe von Einzelausstellungen ausgestellt.

Neben der eigenen schöpferischen Arbeit arbeitete Reinhard Döhl in großem Umfang auch kritisch und analytisch mit Literatur und Kunst. So verfaßte er beispielsweise Dutzende Radioessays, hielt Eröffnungsreden auf Vernissagen, konzipierte Ausstellungen, organisierte mit Claus Henneberg die „Tage für Neue Literatur in Hof“ (1966-1970). Mit der Hörfunk-Sendereihe „Versuch einer Geschichte und Typologie des Hörspiels in Lektionen“ (WDR 1970-1986) begann er eine Geschichtsschreibung des Hörspiels, von der "Das Neue Hörspiel" und "Das Hörspiel der NS-Zeit" später in Buchform erschien und zu den Standardwerken der Hörspielgeschichte zählt.

Wissenschaftlich arbeitete er auch im Rahmen seiner Tätigkeit als Hochschullehrer und Professor an der Stuttgarter Universität. Vortragsreisen und Gastprofessuren führten ihn bis nach Japan und Israel.

Reinhard Döhl beschäftigte sich sehr früh mit den literarischen und künstlerischen Möglichkeiten des Internets, baute seit den 90er Jahren eine eigene Internet-Seite www.reinhard-doehl.de auf und publizierte ab 1996 fast ausschließlich im Netz.


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Visuelles Gedicht „Apfel“, 1965. © AdK, Reinhard-Döhl-Archiv


Mail Art Postkarte mit Sho-Malerei von Reinhard Döhl an Wolfgang Ehehalt, Osaka, 23. Dez. 1996. © AdK, Reinhard-Döhl-Archiv
Mail Art Postkarte mit Sho-Malerei von Reinhard Döhl an Wolfgang Ehehalt, Osaka, 23. Dez. 1996. © AdK, Reinhard-Döhl-Archiv


Reinhard Döhl, © AdK, Reinhard-Döhl-Archiv


Reinhard Döhl, © AdK, Reinhard-Döhl-Archiv
Reinhard Döhl, © AdK, Reinhard-Döhl-Archiv