Der Alchimist. Heinz Hajek-Halke. Lichtgrafisches Spätwerk

Ausstellung

Was László Moholy-Nagy für die Fotografie des Bauhauses und der 1920er Jahre geleistet hat, schuf Heinz Hajek-Halke für die 1950er Jahre und die abstrakte Kunst. Dabei war er ein genuin fotografisch arbeitender Künstler: Was er in der Dunkelkammer an physikalisch-chemischer Arbeit vollbrachte, darf getrost als Alchimie bezeichnet werden; es wird noch heute von keinem Software-Programm erreicht. Unter den großen Fotokünstlern des 20. Jahrhunderts war Hajek-Halke (1898–1983) ein Einzelgänger, der keiner Schule angehörte und dennoch viele beeinflusste. Schon in den frühen 1930er Jahren als Plakatkünstler berühmt, setzte seine künstlerische Reife in den 1950er Jahren ein. Er ist einer der großen Abstrakten und diesbezüglich einer der ersten Künstler in der Fotografie überhaupt. Die Akademie besitzt aus seinem Spätwerk über 200 Lichtgrafiken, die erstmals umfassend in der Ausstellung präsentiert werden. Sie bietet eine der raren Wiederentdeckungen an, die zur Geschichte der künstlerischen Fotografie im 20. Jahrhundert noch zu machen sind.

Kuratiert von Rolf Sachsse, in Zusammenarbeit mit Michael Ruetz und Rosa von der Schulenburg. Im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie und Berlin Art Week

8.9. — 4.11.2012
dienstags bis sonntags 11–19 Uhr. € 6/4, bis 18 Jahre + am 1. So im Monat frei. Im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie und der Berlin Art Week
Dokumentation

I Zur Person

Heinz Hajek-Halke, 1898 in Berlin geboren, verbringt größere Teile der Kindheit in Buenos Aires, 1915-16 Kunststudium in Berlin, anschließend Militärdienst, 1918-19 Studium u. a. bei Emil Orlik, ab 1924 Beschäftigung mit Fotografie, Arbeit als Gebrauchsgrafiker und Pressefotograf, 1934-46 Leben in Kressbronn/Bodensee, Arbeit als Gebrauchsgrafiker und Kleintierzüchter, ab 1948 Spezialisierung auf experimentelle Fotografie, 1955-67 Dozent für Foto-Grafik an der Hochschule für Bildende Künste Berlin, 1973 Übergabe des Lebenswerks an Michael Ruetz, 1983 in Berlin gestorben.

Heinz Hajek-Halke zählt zu den großen unorganisierten Exponenten der fotografischen Moderne und des Neuen Sehens. Zwar setzt die Rezeption seiner Arbeit früh ein – bereits um die Mitte der 1920er Jahre –, auch ist er auf allen großen Ausstellungen zur modernen Fotografie um 1930 prägnant vertreten, doch lässt sich sein Œuvre keiner Schule, keinem Gruppenkontext und keiner Vorgängerschaft zuordnen. Auch die Wahl seiner Mittel und die Genres, in denen er tätig wird, sind kaum einer stilistisch bewussten Intention entsprungen, sondern einer experimentellen Grundhaltung entwachsen. Allerdings stagniert diese Arbeit während der Zeit des NS-Regimes; Heinz Hajek-Halke lebt zurückgezogen am Bodensee.
Nach 1945 beginnt er mit einer Wiederaufnahme seiner alten Experimente, allerdings unter völlig neuen Bedingungen – ohne Kamera, mit einfachsten Mitteln, dafür aber im Austausch mit vielen Künstlern und Fotografen, die ihm begegnen. Sein Werk wird vielfach ausgestellt, und während seiner Lebenszeit erscheinen einige Ausstellungskataloge, Bücher und eine Monografie zu seinem Œuvre. Nach seinem Tod war er für gut zwei Jahrzehnte vergessen, bis 2005 die erste große Monografie zu seinem Frühwerk erschien und er mit einer großen Ausstellungstournee gefeiert wurde. 2008 erschien eine erste, kleine Würdigung seines Spätwerks, das nun mit seinen wichtigsten Positionen in der Akademie der Künste vorliegt. Hajek-Halkes Werke sind seit dieser Zeit auf allen wichtigen Fotografie-Auktionen vertreten und werden weltweit publiziert.


II. Hajek-Halkes Spätwerk

Die Akademie der Künste besitzt neben dem kompletten Domumentations- und Negativarchiv von Heiz Hajek-Halke über 200 Lichtgrafiken seines Spätwerks, die es in einer Ausstellung in den historischen Sälen der Preußischen Akademie am Pariser Platz beim Brandenburger Tor erstmals in größerem Zusammenhang vorstellt. Sie zeigen Hajek-Halke als völlig eigenständigen Gestalter, dessen Lichtgrafiken ihn gleichberechtigt in den Kontext der abstrakten Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg und in den Kreis des Informel und der École de Paris, ausweist.

Das abstrakte Spätwerk von Heinz Hajek-Halke, dem die Ausstellung gewidmet ist, setzt mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein. Die ersten Arbeiten entstanden auf einem alten Tricktisch für Animationsfilme, ohne fotografische Vorlage und damit ohne Realbilder. Die Abstraktion dieser Arbeitsweise wird für den Rest seines noch gut zwei Jahrzehnte umfassenden Œuvres bestimmend: Selbst wo sichtbare Realität in die Bilder hineinspielt, ist die Bildkonstruktion abstrakt, oft von Zufällen in der Arbeit bestimmt und daher im wahren Wortsinn informel – vor der Form. Im Gegensatz zu Künstlern in Malerei und Skulptur, zu denen er viel Kontakt hatte, ist er ein genuin fotografisch arbeitender Gestalter geblieben: Endprodukt seiner Arbeit waren fotografische prints, wiederholbare und in gleicher Form reproduzierbare Ergebnisse des Positiv-Negativ-Prozesses der klassischen Fotografie.
Heinz Hajek-Halke war ab dem Ende der 1940er Jahre mit den abstrakten Arbeiten auf zahlreichen Ausstellungen präsent, nicht nur bei allen Manifestationen neuerer Fotografie wie den Bilderschauen der Gruppen ‚fotoform’ und ‚subjektive fotografie’, sondern auch bei regionalen und überregionalen Ausstellungen bildender Künstler. Mit diesen Ausstellungen beginnt ein reger Austausch zwischen ihm und den wichtigsten Künstlern der westdeutschen Abstraktion, etwa aus dem Umfeld von ‚ZEN 49’, ‚junger westen’ und anderen Gruppen. Das Spätwerk von Heinz Hajek-Halke erlaubt also nicht nur einen besonderen Blick auf die Geschichte der Fotografie als Kunst, sondern verändert den Blickwinkel der Betrachtung auf die Geschichte der bildenden Kunst in den 1950er Jahren insgesamt.


III Ausstellung und Tournee

Die Ausstellung ist in vier Räume gegliedert, die sich auch anders gruppieren lassen als auf der ersten Station in der Akademie der Künste zu Berlin am Pariser Platz: Ein Raum ist den Arbeiten Heinz Hajek-Halkes in Berlin gewidmet, die beiden größten Räume widmen sich ausschließlich künstlerischen Fragestellungen im Spätwerk, und der letzte Raum zeigt die alchimistische Arbeitsweise des Künstlers anhand von Arbeitsproben, -büchern, -werkzeugen und –materialien.


Weitere Informationen zum Hajek-Halke-Archiv und zur Übernahme der Ausstellung über > Kunstsammlung der AdK, Frau Dr. von der Schulenburg, +49(0)30 20057 4030; Fax- 4033; mail: kunstsammlung@adk.de

> Pressedossier

Im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie und Berlin Art Week