Bildmotiv nach Filmstill aus der Bayreuther Lohengrin Inszenierung von Hans Neuenfels © Björn Verloh

RUTH BERGHAUS

Man schaut in tiefe Abgründe
nicht nur im Bild, man schaut ins Gebirge
im Rhein, also auch in
Tiefen und Abgründe der Seele.
Ruth Berghaus, 1987



Uns interessierte bei Wagner [im Ring des Nibelungen] die Masse des Stoffs und seine Heterogenität, was er an Alttestamentarischem, Germanischem, Griechischem, Philosophischem, Mythologischem aufgesaugt hatte, wie er in der Geschichte vor- und rückwärts ging. Wir mussten durch die Analyse herausfinden, was braucht er wann, wozu. Wir erzählen in der Tetralogie eine Göttergeschichte, eine Familiengeschichte, soziale und historische Vorgänge. Das überlagert und überlappt sich in den Szenen aller Stücke. Aber ich würde es eine Beschädigung Wagners nennen, wenn man sich nur für einen der genannten Prozesse entscheidet. […] Es spielt weder im 19. Jahrhundert noch in einem historischen Zusammenhang, sondern Wagner nutzt den Mythos, um Geschichtsabläufe vorwärts- und rückwärts laufen zu lassen. […] Er kreuzt die Geschichtsabläufe. Deshalb war es uns wichtig, nicht eine Geschichte, einen Ablauf zu zeigen, sondern durch die Personen Geschichtsabläufe in ihrer Kontinuität und Diskontinuität, in der Geschichte der Götter die alltägliche normale Geschichte einer Familie. Dadurch werden die sozialen Prozesse aufgerissen und zugleich auch die psychologischen Vorgänge.
Man schaut in tiefe Abgründe nicht nur im Bild, man schaut ins Gebirge im Rhein, also auch in Tiefen und Abgründe der Seele. Mythos wird vom Unterbewusstsein rekapituliert.
Ruth Berghaus – Gespräch zur Ring-Konzeption an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, 26.6.1987.
In: Das Theater der Ruth Berghaus, Berlin 1989, S. 158f.

Das Rheingold, 1985 Oper Frankfurt. Inszenierung Ruth Berghaus, Ausstattung Axel Manthey, Adalbert Waller (Alberich) mit Paula Page (Woglinde), Ilse Gramatzki (Wellgunde) und Margit Neubauer (Floßhilde) © Mara Eggert

RUTH BERGHAUS
Regisseurin und Choreografin, 1927 in Dresden geboren, 1996 in Zeuthen gestorben, 1947–1950 Studium der Choreografie und Tanzpädagogik bei Gret Palucca in Dresden, 1960 erste Opernregie am Staatstheater Mainz, seit 1965 Inszenierungen an der Deutschen Staatsoper Berlin, 1968 erste Schauspiel-Inszenierung mit Viet Nam Diskurs von Peter Weiss am Berliner Ensemble, 1971–1977 Intendantin des Berliner Ensembles, 1977 Verpflichtung an die Deutsche Staatsoper Berlin (bis 1990), 1980–1987 Zusammenarbeit mit dem Dirigenten Michael Gielen an der Oper Frankfurt, 1993 Verpflichtung an das Opernhaus Zürich. Mitglied der Akademie der Künste seit 1970.
Wagner-Inszenierungen: Das Rheingold, 1979 Deutsche Staatsoper Berlin; Parsifal, 1982 Oper Frankfurt; Das Rheingold, 1985 Oper Frankfurt; Die Walküre, 1986 Oper Frankfurt; Siegfried, 1986 Oper Frankfurt; Götterdämmerung, 1987 Oper Frankfurt; Tristan und Isolde, 1988 Hamburgische Staatsoper; Lohengrin, 1990 Opernhaus Graz; Der Fliegende Holländer, 1995 Opernhaus Zürich


In der Ausstellung
● Unveröffentlichte Dokumente aus dem Ruth-Berghaus-Archiv der Akademie der Künste, Berlin. Ausgewählt von Maxim Dessau