winzig und der Elefant im Raum

9. April 2019

Von Manos Tsangaris

Für mich war winzig immer ein politisches Werk – weit über die Erkenntnis hinaus, dass ja alles irgendwie politisch sei. Es geht um Macht und wie sie erlangt werden kann. Dabei spielt Werbung, die Anwerbung von Wählerinnen und die Werbung für bestimmte Ideen eine besondere Rolle.

Die Kommunikationsforschung ist in die Praxis der Agenturen gerückt, verrückt könnte man auch sagen. Und diese Agenturen komponieren Stücke, sie komponieren Werbung. Dabei bedienen sie sich aller nur denkbaren Endgeräte, um darauf die Stücke der guten Hoffnung und Versprechen zu spielen und zu einem für sie und ihre Geldgeber glücklichen Ende zu kommen.

Auch die Versprechen, die sie Informationen nennen, werden in komponierter Form dargereicht. Immerhin ein militärischer Begriff: in Formation. Jetzt aber alle bitte dies denken oder doch dann morgen lieber das. Den Wind für diese Fähnlein blasen wir. Und der Windkanal ist komponiert aus Marktforschung, Psychologie, musikalischen Regeln im allgemeinsten Sinne (Rhythmus und Tempo der Darstellung, Gestalt und Empfindung, aber auch der SOUND des ganzen) und das alles sehr präzise in die Endgeräte, an die individuellen Daumen, die tippen und wischen, auf die individuellen Entscheidungen gemünzt, die in Bruchteilen von Sekunden gefällt und rasch vollzogen sind – wisch wisch, tipp tipp wisch unter geweiteten Pupillen.

So geht also Komposition im Alltag als Machtinstrument. (Komponieren heißt, ein Machtinstrument zu bauen.)

Also sage ich mir 1877, als der Phonograph erfunden wird, 1993 als Monitore und Lautsprecher die Musik ersetzen, 2019 als alles wieder-verbinden (alle re-ligion) ins Netz gerutscht ist, sage und schreibe und gestalte ich mir und uns einen Körper mit dem Menschen in der Mitte.

Der Körper ist das Zelt, das zu uns spricht, wir falten, genau hier, ein Zelt aus, das seine Form als Komposition permanent verändern kann. Das Zelt entfaltet uns. Alles in Bewegung.

Der Film ist wieder real geworden.

Es ist ein physisch reales Zelt.

Ein Musiktheater, das uns umgibt.

Die plastisch physische Welt als Tropus des Geistes überschreitet hier die ihr vorausgesetzten Mittel in Form der komponierten Ereignisse.

Wir sind die Adressaten der unendlichen Mitte.

 

Manos Tsangaris, Komponist, ist Mitglied der Akademie der Künste, Sektion Musik. Seit 2012 ist er Direktor der Sektion. Er ist einer der Initiatoren von „Wo kommen wir hin“.

Sein Projekt Winzig und der Elefant ist ein raumgreifendes Stationentheater, das in musikalischen Miniaturen die Akademie zur Bühne macht. Die Premiere findet am 18. Mai 2019 statt. Weitere Aufführungen am 19., 24., 25. und 30. Mai 2019.