STIPENDIATEN / STIPENDIATINNEN 2007

Porträt Natalka Sniadanko
Natalka Sniadanko, Ukraine
Stipendiatin der Sektion Literatur 2007
Mitglied: Katja Lange-Müller
1973  geboren in Lviv (Lemberg, Ukraine)
1995-1997 Studium der Slawistik und Romanistik an der Universität Freiburg im Breisgau
1990-1995 Studium der Ukrainistik an der Lviver Universität
Seit 2002 Journalistin für die Lemberger Tageszeitung Lvivska Gazeta
Teilnahme an diversen internationalen Literaturfestivals und Seminaren. Literarische Veröffentlichungen
2007 Sammlung der Leidenschaften (deutsche Übersetzung des Romans Kolekcija prystrastej). Deutscher Taschenbuch Verlag, München. (2004, ukrainisch, polnisch und russisch, Auszüge in tschechisch)
2006 Wie kommt Camus ins Kaufhaus? Eine Deutschlandreise. In: du, Nr. 767, 6/2006
2006 Syndrom sterylnosti. Roman. Nora-Druk, Kiew
2005 Wyprobuwannia dla wuziw. Kurzgeschichte in der Anthologie Neznajoma, Lviv, Piramida
2005 Mapa utraconego raju. Essay im Fotoalbum Lwów. Trzy eseje. Nemrod. Kraków
2005 Sesonnyj rozprodazh blondynok. Kurzgeschichten. Ivano-Frankiwsk: Lileja NV
2005 Fragmente eines ungeschriebenen Drehbuchs für einen mehrteiligen Liebesfilm. Kurzgeschichte. SuKuLTuR, Berlin
2003 Didova istorija. Kurzgeschichte in Ukraina Moloda  № 5
2003 Excursija mistom, Musychnyj biznesmen. Kurzgeschichte in Suchasnist № 2
2002 Gra w stworennia gry. Kurzgeschichte in der Anthologie Koroliwskyj lis. Proekt kochannia, Lviv: Piramida
Übersetzungen aus dem Deutschen (Stefan Zweig, Judith Hermann, Friedrich Dürrenmatt, Franz Kafka, Max Goldt, Monika Maron, Feridun Zaimoglu), aus dem Polnischen und Russischen Stipendien
2007 Stipendium des Europäischen Übersetzer-Kollegiums Nordrhein-Westfalen in Straelen
2006 Stipendium im Literarischen Colloquium Berlin
2006 Stipendium des polnischen Instituts Ksiazki, Krakau, Polen
2005 Stipendium der Mercator Stiftung GmbH in Kreisau (Polen)
2003 Stipendium vom polnischen Kulturamt „Gaude Polonia“ in Warschau
Eine viel zu anspruchslose Frau
Man müsse sich entscheiden: Literatur oder Koitus, beides sei nicht zu vereinen, meinte Franz Kafka. Doch zugleich warnte er vor einem Übermaß an Sex, denn er sei höchstens in der Literatur zuträglich.
Tatsache ist, dass sich die Literatur nicht im Geringsten für die Glücklichen interessiert. Romeo und Julia, Anna Karenina, Hundert Jahre Einsamkeit, Das unvollendete Stück für ein mechanisches Klavier; Lesia Ukrainka, Anton Tschechow, Olga Kobylanska, und natürlich Kafka – wer möchte schon ihr Schicksal in Liebesdingen teilen? Und so sollten bei Ihnen sofort die Alarmglocken schrillen, wenn Sie in einem Lyrikband, einem Roman oder gar in einem Drama Ihrer eigenen Liebesgeschichte begegnen. Dafür gibt es nämlich nur zwei Erklärungen: Entweder ist Ihre Liebe unglücklich – ganz unabhängig von Ihrem subjektiven Empfinden – oder es handelt sich bei besagtem Lyrikband, Roman oder Drama keineswegs um Literatur. Jedenfalls nicht um Literatur „im wahrsten Sinne des Wortes“, wie Kritiker gern schreiben, wenn ihnen sonst nichts einfällt - oder wenn die Geschichte ein Happy End hat.
So gesehen ist das Los einer allein erziehenden Mutter, die verführt und dann verlassen wurde, ein dankbares Thema für einen Schriftsteller. Es lässt sich beschreiben, wie harte Schicksalsschlägeauf die Psyche der Heldin einwirken, wie sie immer zynischer und trotziger wird, ihre Jugendträume beerdigt und zur knallharten Karrierefrau mutiert. Später kann der Roman unter einem Titel wie „Moskau kennt keine Tränen“ verfilmt werden, während man für Werbezwecke einen Trailer dreht. Dieser Trailer wiederum basiert auf einer Erzählung, in der alle früheren Abenteuer der Heldin kurz und knackig umrissen werden. Dabei sollte man stets auf das dramatische Potential der ausgewählten Szenen achten. In einem Roman etwa darf man über zwanzig Seiten auf die prämenstruelle Verfassung der Heldin eingehen, um noch das kleinste psychologische Detail angemessen wiederzugeben - nur damit die Heldin auf  Seite 21 doch noch ihre Tage bekommt, was die Leser schon nicht mehr zu hoffen wagten. In einerErzählung darf man so etwas nicht. Mit jeder Flinte, die an einer Wand hängt, muss irgendwann auch geschossen werden, nimmt man sich Tschechows berühmten Satz zu Herzen. Hier würde jede Verzögerung zwangsläufig zu einer Schwangerschaft führen. Noch besser zu einer ungewollten Schwangerschaft, sonst wäre die Verzögerung ja nicht der Rede wert. Nur eine ungewollte Schwangerschaft schlägt den Handlungsbogen zum unehelichen Kind, das sich später als Millionärstochter entpuppt, deren Vater glücklich von seiner Amnesie geheilt wird, als er das süße kleine Baby zum ersten Mal sieht. Da ist das Mädchen bereits an die 18 Jahre alt und ihr Busen sehr appetitlich.
"Eines der interessantesten Debüts in der ukrainischen Literatur der letzten fünf Jahre." JURI ANDRUCHOVITSCH
"Ich glaube, das ist ein potentieller Kult-Roman." ANDREJ KURKOV
"… niederschmetternde Ironie, sprühender Humor und ein Stil, der den Leser im Eiltempo durch das Buch trägt." PRZEKROJ WARSCHAU
"Eine Feder, aus der die Funken der göttlichen Gabe Ironie nur so sprühen, spitz, aber zugleich feingeschliffen, da gleichermaßen mit der klassischen wie der populären Literatur aufgewachsen. Fortgerissen von der Urkraft des Schreibens, nicht von der Verlockung, ein Kunstwerk zu schaffen. Sniadanko schreibt von einfachen und verständlichen, universalen und ewigen Dingen, ohne avantgardistische Feuerwerkereien und postmoderne Spielchen." GAZETA WYBORCZA