KUNST FÜR ALLE Multiples, Grafiken, Aktionen
aus der Sammlung Staeck

Ausstellung

Was der Künstler, Verleger, Zeitzeuge, Sammler Klaus Staeck hier erstmals umfassend ausstellt, entwirft ein Panorama der Kunst seit den 60er Jahren und der gesellschaftspolitischen Geschichte der Bundesrepublik. Wie eine Collage sind in direkter Zusammenschau mehr als 300 Multiples und Grafiken zu sehen, darunter einige der berühmtesten Objekte der Auflagenkunst, mit der Künstler wie Joseph Beuys, Hanne Darboven, Daniel Spoerri, Wolf Vostell und viele andere seit den 1960er Jahren die Regeln des Marktes unterliefen. Postkarten und Plakate zu politischen Aktionen, Rauminszenierungen und Material-Tableaus zu den einfallsreichen Initiativen der Selbstorganisation, von der anarchisch ausufernden „Intermedia ‘69“ über alternative Kunstmessen bis zur 3. Bitterfelder Konferenz 1992, dokumentieren die Veränderung der Kunstwelt durch die Künstler selbst. Ästhetisch überaus reichhaltig entfaltet sich, Fantasie und Gedanken befreiend, die Vision einer für alle rezipierbaren, Ideen stiftenden Kunst im Dialog mit der Zeit.

Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.

Ausstellung und Veranstaltungsprogramm gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung

Die Künstlerin Kirsten Klöckner lädt auf Facebook in einen virtuellen Projektraum zur Ausstellung www.facebook.com/KUNSTFUERALLE

 

Zur Ausstellung


Mit der Ausstellung „KUNST FÜR ALLE. Multiples, Grafiken, Aktionen aus der Sammlung Staeck“ widmet sich die Akademie der Künste den Kunstentwicklungen und Ideen, die von einer seit den 1960er Jahren existierenden, bis heute international aktiven Bewegung von Künstlern für die Demokratisierung der Gesellschaft und des Kunstmarktes ausgehen.


Was der Künstler und Verleger, der kulturpolitische Aktivist und engagierte Demokrat, der Zeitzeuge und Sammler Klaus Staeck hier erstmals so umfassend zeigt, umspannt ein Panorama der Kunst seit den 1960er Jahren und der gesellschaftspolitischen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Schon vor 1968 gehörten Künstler zu den ersten, die die Erstarrung der Nachkriegsgesellschaft und ihres traditionellen Kunstbetriebs aufbrechen wollten. Künstlerischer Ausdruck dieses Freiheitsgedankens war das Multiple, das in höherer Auflage vervielfältigte originäre künstlerische Werk, mit dem Künstler fast aller stilistischer und konzeptioneller Richtungen die Regeln des Kunstmarktes unterliefen, indem sie bezahlbare und zugleich höchste avantgardistische Ansprüche vertretende Kunst für möglichst viele produzierten. Verbunden damit waren aktiv und mutig betriebene Initiativen der Selbstorganisation, mit denen eine unangepasste Generation von Künstlern Unabhängigkeit von den überkommenen Institutionen suchte und freiere, egalitäre Produktionsbedingungen schuf.


Klaus Staeck gehört als Künstler zu den Miterfindern dieser Auflagenkunst, war schon früh einer ihrer Protagonisten und ist bis heute einer ihrer bedeutendsten Verleger. Seine Sammlung umfasst, neben den von der Edition Staeck publizierten, hunderte von Arbeiten vergleichbarer Initiativen und Verlage. Lässt sich der Zustand einer Gesellschaft am Interesse für vervielfältigte Kunst-Originale ablesen? Klaus Staecks These und ein Leitmotiv seines Sammelns und Schaffens provoziert weitere Fragen: Welche Kunst soll heute für ‚alle‘ da sein und wer sind wir – alle, an die die Kunst sich richtet, die sie in Auftrag geben, bezahlen, öffentlichen Umgang mit ihr pflegen, ihre Freiheit schützen – aktuelle und politische Fragen also. Dabei folgt sie nicht einer historischen Chronologie und nimmt keine kunstwissenschaftlichen Eingrenzungen vor. Auf ästhetisch überraschende Weise, assoziativ, dokumentarisch, narrativ inszeniert, lädt sie zur gedanklichen Partizipation ein.


Im Zentrum der Ausstellung sind wie eine großräumige Collage in direkter Zusammenschau mehr als 300 Multiples und Grafiken zu sehen, darunter einige der berühmtesten Objekte der Auflagenkunst. Joseph Beuys, den mit Klaus Staeck eine lebenslange kongeniale Partnerschaft verband, und der bis heute von der Edition Staeck verlegt wird, ist mit mehr als vierzig seiner Objekte vertreten, neben Marcel Broodthaers, Christo, Hanne Darboven, Felix Droese, Robert Filliou, Jochen Gerz, Erwin Heerich, Rebecca Horn, Kirsten Klöckner, Mauricio Kagel, Jannis Kounellis, Rune Mields, Harald Naegeli, Yoko Ono, Nam June Paik, Blinky Palermo, A. R. Penck, Sigmar Polke, Neo Rauch, Gerhard Richter, Dieter Roth, Daniel Spoerri, Rosemarie Trockel, Günther Uecker, Wolf Vostell und vielen weiteren, mehr als 150 Künstlern, die hier vereint zu sehen manchen auch überraschen mag.


Als Verleger und Sammler ging es Klaus Staeck, wie der Kunstkritiker Thomas Wagner im Buch zur Ausstellung schreibt, „bewusst nicht darum, nur die eigene Vorstellung von Kunst bestätigt zu sehen. Was zählt, ist die Breite des Spektrums … Kollegen aus Ost und West, Gleichgesinnte und Andersdenkende, erfolgsverwöhnt oder nicht, in ihren Werken offen politisch oder hermetisch bis idiosynkratisch, mal ironisch, mal mahnend oder einfach nur künstlerisch überzeugend – ob zur Pop Art, zur Konzeptkunst, zum Informel, zur Minimal Art oder irgendeiner anderen Spielart zu rechnen – wurden unter dem Dach der Kunst als einem offenen Medium und über das Prinzip von Grafik-Editionen und Auflagenobjekten vereint“.


Das zweite, nicht minder wichtige Kapitel handelt von den Veränderungen der Kunstwelt durch die Künstler selbst. Es wird eröffnet durch eine mediale Rauminszenierung zum Festival „intermedia ʼ69“, dem legendären, im Verlauf nahezu anarchisch ausgeuferten „Versuch, Kunst und Gesellschaft in einer Produktionsöffentlichkeit zusammenzubringen und mit allen daraus resultierenden Folgen aufeinander reagieren zu lassen“ (Thomas Wagner).
Material-Tableaus aus gedruckten und fotografischen Sammlungsraritäten bilden eine anschauliche Struktur. Alternative Kunstmessen, Produzentengalerien, Versandkunsthandel, Künstlerkollektive, experimentelle Zeitschriften, Namen wie Editions Agentzia, General Idea, Grapus, zehn neun Kunstproduktions- & Vertriebsgesellschaft mbH, 7. Produzentengalerie, Künstlergruppe Clara Mosch und andere stehen für die vielen einfalls- und auch risikoreichen Wege abseits des institutionalisierten und des kommerziellen Kunstbetriebs, ohne die die Freiheit der heutigen Kunstproduktion nicht zu denken ist. Wie Interventionen zeigen sich überall von Künstlern entworfene Postkarten – das kleinste und vielseitigste Format eines Multiples – Künstlerplakate und Aktionsfotos. Immer wieder tritt Klaus Staeck auch selbst ins Bild, als Ideengeber, Motor und Organisator vieler unabhängiger Aktionen, mit denen Künstler, von der Anti-Bild- Kampagne „Wir arbeiten nicht für Springer-Zeitungen“ 1980 bis zur 3. Bitterfelder Konferenz 1992 das „Niemandsland zwischen Kunst und Politik“ (Klaus Staeck) künstlerisch besetzten.


Der öffentliche, egalitäre Umgang mit Kunst muss von jeder Generation neu erprobt werden, in der demokratischen Gesellschaft, die sich in ihr kritisch widerspiegeln, sie als kollektives Gedächtnis befragen, ihre utopischen Entwürfe durch sie sichtbar werden lassen möchte. Klaus Staeck plädiert auch als Präsident der Akademie der Künste für ein offenes und Position beziehendes Auftreten überall dort, wo Kunst unmittelbar aufklärerisch und solidarisierend wirken kann, die von ihm initiierte Reihe der Akademie-Gespräche hat viele aktuelle und auch strittige Themen aus Kunst und Gesellschaft zum Gegenstand.


Das Veranstaltungsprogramm zur Ausstellung „KUNST FÜR ALLE“ diskutiert im 57. bis 62. Akademie-Gespräch heutige Handlungsmöglichkeiten und stellt aktuelle Konzepte einer „Musik für alle“ vor, Akademie-Mitglieder erinnern an wichtige Entwicklungen im künstlerisch-politischen Dokumentarfilm, an das Mitbestimmungstheater und an die Gründungszeit der Kunstvereine, ein umfangreiches Vermittlungsprogramm mit Aktionen und Führungen für Schulklassen und Jugendliche begleitet die Ausstellung.

18.3. — 7.6.2015

Ausstellung
Di–So 11 – 19 Uhr, € 6/4.
Bis 18 Jahre und dienstags 15–19 Uhr Eintritt frei.
öffentliche Führungen
So 11.30 Uhr und Do 18 Uhr
ohne Anmeldung