10.7.2015, 10 Uhr

Prozess gegen Oleg Senzow hat am 9. Juli vor dem Militärgericht in Rostow am Don begonnen

Der ukrainische Regisseur war seit über einem Jahr in Moskau inhaftiert. Die Akademie der Künste fordert die russische Regierung auf, Oleg Senzow freizulassen.

Oleg Senzow am 8.4.2015 in Moskau vor Gericht - Foto: Alexandra Agejewa, Grani.ru

Vor dem Militärgericht des Nord-Kaukasischen Bezirks in Rostow am Don begann am 9. Juli 2015 unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Prozess gegen den ukrainischen Filmregisseur Oleg Senzow. Er war im Mai 2014 vom russischen Geheimdienst auf der Krim verhaftet worden und verbrachte mehr als ein Jahr im "Moskauer Untersuchungsgefängnis Nr. 2".
Das Moskauer Lefortowski-Gericht hatte die mehrfache Verlängerung der Untersuchungshaft mit dem Grad der vorgeworfenen Straftat - der angeblichen "Bildung einer Terror-Gruppe und Vorbereitung von Terroranschlägen auf der Krim" - begründet. Der Beschuldigte und die Verteidigung sollten "mehr Zeit bekommen, um die Anklageschrift zur Kenntnis zu nehmen."

In einem Brief an Klaus Staeck, den vorherigen Präsidenten der Akademie der Künste vom 18.11.2014 hatte der Leiter des Zentrums für Öffentlichkeitsarbeit des russischen Geheimdienstes FSB behauptet, die Ermittlungsmaßnahmen im Strafverfahren hätten „Beweise für die Beteiligung Senzows an Straftaten ergeben“, ohne konkrete Angaben für den Termin eines Gerichtsverfahrens zu nennen.
Ursprünglich war für den 11. Oktober 2014 der Beginn des Prozesses gegen Senzow und weitere Angeklagte wegen der angeblichen Planung von Terroranschlägen vorgesehen.

Oleg Senzow war Teilnehmer an den Protesten auf dem Kiewer Maidan. Am 11. Mai 2014 wurde er von russischen Polizisten festgenommen. Bei einer gerichtlichen Anhörung am 7. Juli hat Oleg Senzow alle Anschuldigungen, an der Planung oder Durchführung terroristischer Aktionen beteiligt zu sein, bestritten. Er warf den Untersuchungsbehörden vor, misshandelt und mit dem Tod bedroht worden zu sein.

Wörtlich hatte Oleg Senzow erklärt:
„Ich war nie Mitglied des ‘Rechten Sektors’ und habe auf der Krim keine Terrorgruppen oder Terroranschläge organisiert. (…) Ich bin nicht schuldig der Organisation der mir vorgeworfenen Verbrechen, ich betrachte den Fall als fabriziert und politisch motiviert, weil die Anklage sich auf die Aussagen von zwei Verdächtigen stützt, die ihnen unter Folter abgepresst wurden, und jetzt können sie die Vorwürfe nicht zurückziehen, weil man ihnen verkürzte Freiheitsstrafen versprochen hat. Auch ich wurde gefoltert. (…)

Klaus Staeck, der vorherige Präsident der Akademie der Künste, hatte im September 2014 im Namen der 400 Akademiemitglieder in Schreiben an den russischen Botschafter in Berlin, den Generalstaatsanwalt in Moskau und den Leiter des russischen Geheimdienstes (FSB) gegen die willkürliche Inhaftierung des Künstlerkollegen Oleg Senzow protestiert.

Unser Protest gilt weiterhin.

Jeanine Meerapfel
Präsidentin der Akademie der Künste

 

(nach Prozessbeginn aktualisierte Fassung des Protests vom 11. Juni 2015)



Video-Statements der Filmregisseure Wim Wenders, Mike Downey, Krzysztof Zanussi, Agnieszka Holland für die Freilassung von Oleg Senzow

Protest der Europäischen Filmakademie und Liste der Unterzeichner

Beitrag zu Oleg Senzow in ZDF aspekte vom 9.1.2015

Beitrag in 3sat Kulturzeit vom 2.7.2015

Aktuell: Der ukrainische Filmemacher wurde am 25. August 2015 von einem russischen Gericht wegen angeblicher terroristischer Straftaten zu 20 Jahren Lagerhaft verurteilt.

Siehe auch hier