9.1.2006

Nachlässe von Heinrich George und Berta Drews in der Akademie der Künste

Die Akademie der Künste hat die künstlerischen Nachlässe des Schauspielers Heinrich George (1893-1946) und seiner Frau, der Schauspielerin Berta Drews (1901-1987), erworben.
Der Nachlaß von Heinrich George stellt einen herausragenden Quellenbestand zur Theater-, Film- und Kulturgeschichte der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts dar. Hochkarätig sind seine Korrespondenzen mit Theaterleuten und Persönlichkeiten des kulturellen Lebens der Weimarer Republik und des Dritten Reiches, so z.B. mit Max Beckmann, Horst Caspar, Wilhelm Dieterle, Otto Dix, Werner Egk, Erich Engel, Jürgen Fehling, Walter Felsenstein, Wilhelm Fraenger (eines der umfangreichsten und inhaltsreichsten Konvolute), Carl Froelich, Gustaf Gründgens, Max Halbe, Knut Hamsun, Veit Harlan, Gerhart Hauptmann, Sven Hedin, Werner Hinz, Herbert Ihering, Emil Jannings, Gustav Knuth, Oskar Kokoschka, Victor de Kowa, Selma Lagerlöf, Zarah Leander, Ernst Legal, Paul Lincke, Karl Heinz Martin, Börries von Münchhausen, Lothar Müthel, Asta Nielsen, Max Pechstein, Hans Pfitzner, Hans Poelzig, Will Quadflieg, Joachim Ringelnatz, Heinrich Spoerl, Hans Schweikart, Fritz von Unruh, Paul Wegener und Carl Zuckmayer. Bewegende Dokumente sind seine Briefe 1945/1946 aus dem Lager an seine Frau Berta Drews.

Der Nachlaß enthält weiter eine große Anzahl Rollenbücher Georges, auch aus seiner Anfangszeit, sowie Unterlagen aus seiner Tätigkeit als Intendant des Berliner Schiller-Theaters. Von besonderem Interesse sind die Materialien zu seiner Arbeit für den Film,  Schriftwechsel und Verträge, u. a. auch zu seiner Beteiligung an der TOBIS, wo er 1942 eine eigene Herstellungs-gruppe übernahm. Erhalten sind zudem zahlreiche Drehbücher zu seinen Filmen, wie z. B. zu „Berlin Alexanderplatz“, „Friedrich Schiller“ oder seinem wahrscheinlich populärsten Film „Der Postmeister“. Aus der Erwerbung blieb der umfangreiche Fotobestand zunächst ausgeklammert. Der etwa 18 laufende Regalmeter umfassende Nachlaß wird im Jahr 2006 bearbeitet.

Heinrich George meldete sich nach ersten Engagements in der Provinz 1914 freiwillig zum Wehrdienst, wurde schwer verwundet und setzte 1917 seine Theaterlaufbahn in Dresden und Frankfurt am Main fort, wo er vor allem in den expressionistischen Zeitstücken Hasenclevers, Sternheims und von Unruhs spielt. Erste eigene Regieversuche galten den hermetischen Theatertexten seines Freunds Oskar Kokoschka. 1921 verpflichtete ihn Max Reinhardt an das Deutsche Theater nach Berlin. 1923 gründete George mit Karl Heinz Martin, Elisabeth Bergner und Alexander Granach das „Schauspieler-Theater“, um sich vom Druck der kommerziellen Theaterbetriebe unabhängig zu machen. Sein Aufstieg zu einem der bekanntesten Schauspieler seiner Zeit begann im Preußischen Staatstheater, wo er unter Jürgen Fehling vor allem in der Darstellung der Barlachschen Bühnengestalten, wie dem Siebenmark in „Der arme Vetter“ (1923) oder als Boll in „Der blaue Boll“ (1930) Maßstäbe setzt. Zwischen 1925 und 1929 spielte er vorwiegend unter der Regie des links-revolutionären Erwin Piscator proletarische Helden. Theatergeschichte schrieb Heinrich George unter anderem 1928 mit der Darstellung des Packers Galy Gay in Erich Engels’ Inszenierung von Brechts „Mann ist Mann“. Aber auch in zahlreichen Filmrollen brillierte er schon früh als Stummfilmstar mit expressiver Mimik und Gestik.

Am bekanntesten wurde seine Darstellung des Arbeiterführers in Fritz Langs „Metropolis“. 1931 spielt er in der Verfilmung von Alfred Döblins Roman „Berlin Alexanderplatz“ den Franz Biberkopf. Auch Hollywood interessierte sich für den Schauspieler, der sich aber nicht entschließen konnte, den deutschen Sprachraum zu verlassen. 1932 heiratete er die Schauspielerin Berta Drews und bezog eine Villa am Kleinen Wannsee. Nach der Machtergreifung wurde er durch die National-sozialisten zunächst als linker Exponent der Berliner Theaterkultur ausgegrenzt. Im Film „Hitlerjunge Quex“ spielte er dann einen Kommunisten, der zum überzeugten Nationalsozialisten wird. Als Generalintendant des Schiller-Theaters ab 1938 brachte er wie die anderen führenden Berliner Theaterleiter, Gustaf Gründgens und Heinz Hilpert, vorwiegend die Klassiker ins Programm, um dem politischen Druck, Parteidramatik zu spielen, auszuweichen. In seinem Haus fanden politisch und nach den Rassegesetzen Gefährdete Unterschlupf; er hielt seine schützende Hand über Personen wie Wilhelm Fraenger und Karl Heinz Martin. Auch fördert er junge Schauspiel-Talente wie Horst Caspar und Will Quadflieg. Auf der anderen Seite waren unter den ca. 60 Filmen, in denen er spielte, auch Propagandafilme; am heftigsten wurde er für seine Darstellung des Herzogs in „Jud Süß“ und sein Mitwirken im Durchhaltefilm „Kolberg“ angegriffen. Nach Kriegsende wurde Heinrich George, wie auch Gründgens, verhaftet, freigelassen und erneut verhaftet. 1946 starb er im sowjetischen Lager Sachsenhausen, geschwächt durch die harten Lagerbedingungen und eine Blinddarmoperation. 1998 wurde er von Rußland offiziell rehabilitiert.

Berta Drews wurde u.a. an der Max-Reinhardt-Schule in Berlin ausgebildet und anschließend an die Landesbühnen Stuttgart engagiert. Es folgten Engagements an den Münchner Kammerspielen und schließlich an der Berliner Volksbühne. 1932 heiratete sie Heinrich George. Neben zahlreichen Theaterrollen an der Volksbühne und am Schiller-Theater war sie auch im Film, gelegentlich auch an der Seite ihres Mannes, zu sehen. Nach Kriegsende und dem Tod von Heinrich George engagierte sie Boleslaw Barlog an das Schloßpark-Theater, später auch an das wiedererbaute Schiller-Theater. Dort spielte sie in Inszenierungen von Karlheinz Stroux, Boleslaw Barlog und Hans Lietzau, später arbeitete sie auch mit jungen Regisseuren wie Hans Neuenfels zusammen und spielte in zahlreichen Filmen mit.

Der Nachlaß von Berta Drews enthält umfangreiche Korrespondenzen mit Theaterleitern, Regisseuren, Kollegen und anderen Persönlichkeiten, z. B. mit Boleslaw Barlog, Johannes R. Becher, Samuel Beckett, Elisabeth Bergner, Willy Brandt, Horst Caspar, Jürgen Fehling, Walter Felsenstein, Boy Gobert, Joana Maria Gorvin, Veit Harlan, Heinz Hilpert, Hildegard Knef, Hermine Körner, Hans Lietzau, Friedrich Luft, Alexander Moissi, Hans Neuenfels, Asta Nielsen, Rudolf Noelte, Erwin Piscator, Will Quadflieg, Johannes Mario Simmel, Ernst Schröder. Die Unterlagen zur posthumen Rehabilitation Heinrich Georges sowie Materialien zum George-Buch von Berta Drews über ihren Mann bilden eigene, wichtige Material-Konvolute.
Beim künstlerischen Nachlaß von Berta Drews, der etwa 4 laufende Regalmeter umfaßt und gleichfalls 2006 bearbeitet wird, handelt es sich um einen wesentlichen Bestand zur Berliner und deutschen Theater- und Filmgeschichte des 20. Jahrhunderts.

Aktueller Zusatz zur Klimasituation in den Archivräumen der Akademie am Pariser Platz

Angesichts jüngster Medienberichte zur Situation der Akademie und ihres neuen Hauses am Pariser Platz legt das Archiv Wert auf die Feststellung, dass die wiederholt geäußerte, ruf-schädigende Behauptung, in den Kellern oder Magazinen am Pariser Platz sei es feucht oder schimmle, falsch ist. Der im Zuge des Bauprozesses aufgetretene Schimmelbefall wurde Ende 2004 definitiv saniert. Derzeit werden die Archiv-Magazine am Pariser Platz deshalb nicht genützt, weil die eingebaute Klimaanlage die anspruchsvollen Klimawerte zur Lagerung hochwertiger Dokumente nicht jederzeit konstant einhält. Das ist schlimm genug. Gegenwärtig wird die Ursache hierfür in einem Beweissicherungsverfahren festgestellt. Die Berliner Bauverwaltung hat zugesagt, nach dessen Auswertung unverzüglich Abhilfe zu schaffen.

Druckversion