8.9.2021

„Die Schere im Kopf“ – Für die Freiheit der Kunst in Ungarn
Europäische Allianz der Akademien und Europaabgeordnete Sabine Verheyen wollen Kräfte bündeln

Die Freiheit der Kunst ist in Artikel 13 der EU-Charta der Grundrechte verankert – und doch kann die ungarische Regierung gesetzeskonform die Autonomie von Kulturinstitutionen und Kunstakademien Schritt für Schritt abbauen. Ein Vertragsverletzungsverfahren ist schwer aufzustellen. Auf diesen Missstand hatte die Europäische Allianz der Akademien bereits im Mai dieses Jahres hingewiesen und in Zusammenarbeit mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) eine Petition mit konkreten Forderungen beim Europäischen Parlament eingereicht.
Vgl. Pressemeldung vom 9. Mai 2021

Um die weiteren Möglichkeiten der Zusammenarbeit für die Freiheit der Kunst in Europa auszuloten, initiierten Vertreter*innen der Europäischen Allianz der Akademien am 7. September 2021 eine Anhörung mit Sabine Verheyen, Vorsitzende des Ausschusses für Kultur und Bildung im Europäischen Parlament.
Prof. Győző Ferencz von der Széchenyi Academy of Letters and Arts sowie Ferenc Czinki, Präsident der Society of Hungarian Authors, erläuterten die Mechanismen staatlicher Kontrolle in Kulturinstitutionen und die persönlichen Auswirkungen der Selbstzensur auf das künstlerische Schaffen. Der Schriftsteller Robert Menasse, Mitglied der Akademie der Künste, wies auf die gesamteuropäische Dimension des Anliegens hin: „Es muss europapolitischer Anspruch sein, gesamteuropäische Rahmenbedingungen zur Entfaltung freier Kunst und Wissenschaft zu stärken und wirksame Sanktionsmöglichkeiten gegen Mitgliedstaaten durchzusetzen, die Kunst, Wissenschaft und Bildung durch nationale Identitätspolitik bedrohen.“ Kunst gehöre – wie auch Straßen, Flughäfen und Windparks – zur europäischen Infrastruktur. Um dies durchzusetzen, benötige es eine langfristige Partnerschaft mit der Politik, betonte Marion Döring (Wim Wenders Stiftung). 
Sabine Verheyen zeigte sich alarmiert über die vielschichtigen Einschränkungen der künstlerischen Freiheit – insbesondere über „die Schere im Kopf“ – auch in anderen europäischen Mitgliedsstaaten. Zugleich verwies sie darauf, dass Rechtsmissbrauch in konkreten Fällen juristisch nachgewiesen werden müsse, um über Strafen oder Verfahren vor Gericht auf europäischer Ebene gegen die Einschränkungen vorgehen zu können. Hier könne die Europäische Allianz der Akademien unterstützend tätig werden. Jeanine Meerapfel, Präsidentin der Akademie der Künste, betonte zum Abschluss des Hearings, dass der Austausch fortgesetzt werde. 


Weitere Informationen: www.allianceofacademies.eu