Wolfgang Trautwein
Wie George Grosz in die Akademie kam
(gekürzt)

In den Ausstellungen der Preußischen Akademie der Künste war George Grosz vielfach vertreten. Die erste Einladung zur „Schwarz-Weiß-Ausstellung“ 1921 – bereits unter der Ägide des Präsidenten Max Liebermann, der dieses Amt im Jahr zuvor angetreten hatte – scheint er jedoch nicht angenommen zu haben, denn die Einladungsliste trägt kein seinen Namen bestätigendes Plus-Zeichen. 1923 wurde er zu zwei Ausstellungen eingeladen; die eine Teilnahme bestätigenden Kataloge liegen aber erst ab 1924 vor. In den Herbstausstellungen 1926, 1931 und 1932 sowie im Frühjahr 1928 war er jeweils mit zwei bis fünf Arbeiten vertreten. Eine juryfreie Sonderausstellung in einem eigenen Saal mit 16 Ölbildern und Aquarellen erhielt er auf der Frühjahrsausstellung 1927.

Seitdem war Grosz jedes Jahr auch unter den Künstlern, die für die Wahl in die Mitgliedschaft der Akademie vorgeschlagen wurden, er verfehlte jedoch stets das erforderliche Quorum. 1931 überging Max Liebermann im Bund mit dem preußischen Kultusminister Adolf Grimme die konservative Mehrheit der Sektion für die bildenden Künste und setzte vor Inkrafttreten einer neuen Akademie-Satzung die Aufnahme von 13 progressiven Künstlern durch. Grosz’ Name hatte neben denen von Otto Dix, Ernst Ludwig Kirchner und Karl Schmidt-Rottluff auf der ursprünglichen Liste der Maler gestanden. Doch wurde er aufgrund ministerieller Bedenken wegen des noch schwebenden Gotteslästerungsverfahrens gestrichen – Streitgegenstand waren einige Blätter aus der Mappe „Hintergrund“ – und an seiner Statt Emil Nolde in die Akademie aufgenommen. Bei der nun erneuerten Mitgliedschaft hätten seine Chancen für eine Zuwahl im folgenden Jahr bestens gestanden, diesmal aber wurden die Wahlen abgesetzt. Der nächste Termin wäre im Frühjahr 1933 gewesen; aber da hatten die Nationalsozialisten die Akademie bereits gleichgeschaltet, und Grosz befand sich im amerikanischen Exil.

Die Abteilung Bildende Kunst der 1954 neu gegründeten Akademie der Künste (West) machte es besser. Im November 1958 wählten die 14 anwesenden Mitglieder – unter ihnen Rudolf Belling, Karl Hartung, Bernhard Heiliger, Max Kaus, Gerhard Marcks und Renée Sintenis – Grosz einstimmig zum außerordentlichen Mitglied (ein Status, der ausländischen Künstlern vorbehalten war: Grosz hatte nach seiner Ausbürgerung 1938 die US-amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen). In seinem Brief, der die Annahme der Wahl bestätigte, schrieb er: „Habe mich gefreut über diese Anerkennung.“ Seiner Schwester teilte er lakonisch mit: „Wir waren drei Monate in Deutschland – ich wurde als Mitglied der Berliner Akademie gewählt (too late).“ Sechs Wochen nach seiner endgültigen Rückkehr nach Deutschland starb George Grosz am 6. Juli 1959 in Berlin. Die noch zu Lebzeiten zugesagte Ausstellung fand 1962 im neuen Akademie-Gebäude am Hanseatenweg statt. Der Katalog dieser ersten großen Grosz-Präsentation im Nachkriegsdeutschland führt 308 Positionen auf, darunter acht Mappenwerke.

Die Anfänge des George-Grosz-Archivs reichen in die Jahre 1967/68 zurück. Der damalige Archivleiter der West-Akademie, Walter Huder, erwarb Briefe, die Grosz seinem Schwager Otto Schmalhausen und dessen Frau Charlotte 1934 und 1953–1957 aus den USA nach Berlin geschrieben hatte. Das damals sogenannte George-Grosz-Archiv, das nach archivarischem Provenienzprinzip ein Schmalhausen-Archiv darstellte, wurde in den Folgejahren durch Grosz-Konvolute und -Einzelautografen anderer Korrespondenzpartner sowie drei Skizzenbücher ergänzt und war das einzige Grosz-Archiv in Europa. Auf dieser Grundlage konnte der Verfasser im Jahr 1993/94 über das eigentliche Grosz-Archiv verhandeln, das dessen älterer Sohn Peter in den USA weitergeführt hatte. Diese Erwerbung umfasste eine Fülle von Dokumenten und Fotografien, das gesamte druckgrafische Werk, seltene Zeitschriften, die Grosz-Zeichnungen enthielten, Hunderte von Andrucken seiner Illustrationen, ein großes Pressearchiv, eine umfangreiche Belegbibliothek, Sekundärliteratur und auch ein Archiv der Grosz-Fälschungen.

Den Kern des neuen Archivs bildete jedoch der Inhalt einer Kiste, die ganz unten im Kohlenkeller des Hauses Savignyplatz 5 die Zeit von 1932, als Grosz in die USA ging, bis 1984 unbeschadet überdauert hatte. Zum Vorschein kam sie, als Charlotte Schmalhausen ihre dortige Wohnung aufgab. Es handelte sich um etwa 1200 Briefe aus den Jahren 1917–1932 von Ernst Cassirer, Otto Dix, John Heartfield, Walter Mehring, Erwin Piscator, Kurt Tucholsky, Paul Westheim und anderen. Der Inhalt wurde in einen Koffer umgelagert, doch dieser sogenannte „Grosz-Koffer“ war nicht der ursprüngliche rettende Behälter. Weitere, gleichfalls aus der Kiste im Kohlenkeller stammende Teile der Erwerbung sind 151 Jugendzeichnungen sowie 23 Porträtstudien von Max Herrmann-Neisse. Aus den USA kamen sämtliche noch verfügbaren Skizzenbücher, 204 an der Zahl, aus den Jahren 1905–1958 hinzu – ein besonderer Schatz, der ebenso wie die Grafik nun zum Bestand der Kunstsammlung gehört. Das George-Grosz-Archiv der deutschen Jahre in der Akademie der Künste trat komplementär zum Grosz-Archiv der amerikanischen Zeit, das seit 1982 die Houghton Library & Archive an der Harvard University, Cambridge, Massachusetts, betreut.

Der neue Grosz-Bestand ging 1994 in das im Jahr zuvor aus Ost und West vereinigte Archiv der Akademie der Künste ein, zu dem auch die Kunstsammlung der früheren Ost-Akademie gehört, die neben einigen Ankäufen aus dem Grosz-Nachlass über bedeutende Zeichnungen verfügte, die John Heartfield der Akademie der Künste der DDR geschenkt hatte, darunter „Friedrichstraße“ (1918) und „Maul halten und weiter dienen“ (1928). Unter ihren Leiterinnen Gudrun Schmidt und Rosa von der Schulenburg wurde der Grosz-Bestand der Kunstsammlung inventarisiert und aufbereitet. Dem Leiter des Archivs Bildende Kunst Michael Krejsa gelang es 1997, den Nachlass von Otto Schmalhausen zu erwerben. Der Zeichner, ein früher und lebenslanger Freund von George Grosz, wurde 1920, als dieser Eva Peter heiratete, auch dessen Schwager. Das Otto-Schmalhausen-Archiv enthält 350 Briefe und Karten von George Grosz an Otto Schmalhausen zwischen 1916 und 1959, darunter auch 28 collagierte bzw. übermalte Postkarten aus den Jahren 1953–1958.

Auch andere Akademie-Archive zur bildenden Kunst enthalten Korrespondenzen und Materialien zu Grosz, so die Bestände Annot, John Heartfield, Karl Scheffler und Paul Westheim. Dank des multidisziplinären Ansatzes des Archivs der Akademie sind Werke und Briefe von George Grosz aber auch im Archiv Darstellende Kunst bei Erwin Piscator und im Literaturarchiv bei Theodor Däubler, Martin Gumpert, Walter Mehring sowie Bertolt Brecht vertreten, an den 26 Briefe aus den Jahren 1932–1936 und 1945 mit etlichen Beilagen erhalten geblieben sind. Noch umfangreicher ist der Grosz-Bestand im Archiv des Malik-Verlegers Wieland Herzfelde, dort liegen 146 Briefe zwischen Herzfelde und George bzw. Eva Grosz aus den Jahren 1918–1956. Darüber hinaus enthält dieses Archiv Drucke, Fotografien, Texte und Bildvorlagen sowie Buchumschläge von Grosz, Werbematerialien des Verlags sowie einige Materialsammlungen, unter anderem zu dem erwähnten Gotteslästerungsprozess. All diese Materialien sind verzeichnet, stehen der interessierten Öffentlichkeit in den Lesesälen des Archivs zur Verfügung und machen die Berliner Akademie der Künste zu einem Zentrum der Grosz-Forschung.




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