Schülerprojekte

100 Schüler - 10 Mitglieder

12. November 2008 -- Begegnung mit Barbara Klemm und Schülern der Freien Christlichen Schule Frankfurt am Main im Atelier

Das Geheimrezept für ein perfektes Foto

Die Schüler der Freien Christlichen Schule Frankfurt/Main sind selbst junge Fotografen. Sie hatten an dem Fotowettbewerb ihrer Schule mit dem Thema „Gott hat die schönsten Formen“ teilgenommen und ihre Werke in das Büro von Barbara Klemm mitgebracht. Die international berühmte Fotografin gab ihr professionelles Urteil zu jedem Bild ab.

Sie haben Bilder von wichtigen Menschen gemacht. Welche Persönlichkeit mochten Sie am meisten?
Auf der politischen Ebene hat mich am meisten Willy Brandt beeindruckt. Als der Generalsekretär der Sowjetunion Breschnew das erste Mal nach Deutschland ins Kanzleramt kam, war das für mich der Anfang der Wiedervereinigung, die dann 30 Jahre später auch zustande kam. Da hat Willy Brandt versucht, bürokratische Dinge wie z.B. Passierscheine und Besuche bei den Verwandten zu erleichtern und die Mauer hat sich - zumindest für die alten Leute - etwas geöffnet. Das fand ich sehr beeindruckend.

Welches ist ihr Lieblingsbild von der Wiedervereinigung?
Die Nachtaufnahme vom Brandenburger Tor mit den Leuten auf der Mauer, ihren Regenschirmen, mit dem Licht von hinten und dem spiegelverkehrten Transparent. Wenn man journalistisch arbeitet, kann man die Dinge nicht beeinflussen. Man muss mit dem, was man sieht, zu recht kommen. Ich habe einen ganzen Nachmittag im strömenden Regen auf der Ostseite gestanden, wo die Politiker erschienen waren und das Brandenburger Tor geöffnet wurde. Das waren alle keine Bilder. Für mich musste das Symbolbild der Wiedervereinigung etwas mit dem Brandenburger Tor zu tun haben. Beim Weggehen nach fünf Stunden sehe ich auf einmal dieses wunderbare Licht von hinten und eben dieses Schild „Deutschland, einig Vaterland“ in spiegelverkehrter Schrift und da habe ich gedacht – „Das ist es!“ Dann bin ich auf ein Absperrgitter geklettert, um etwas höher zukommen, um den Abstand zwischen den Personen, die auf der Mauer standen und dem Brandenburger Tor zu vergrößern. Mit einem langen Teleobjektiv und aus der Hand habe ich dann diese Nachtaufnahme gemacht und einen ganzen Film verbraucht, weil ich Angst hatte, dass die Bilder verwackeln.

Gibt es bestimmte Lichtverhältnisse, die Sie beim Fotografieren besonders mögen?
Ich habe immer das Licht genommen, was vorhanden war. Manchmal kommt man da sehr in die Bredouille, weil es oft so dunkel ist, dass man das Gefühl hat, man bekommt doch nicht, was man braucht. Aber ich konnte mich immer retten. Ich finde Gegenlicht manchmal sehr schön, obwohl man sehr darauf achten muss, dass die Gesichter der Leute dann nicht schwarz sind. Durch das Gegenlicht werden die Formen noch einmal verstärkt, da kommt jeder Kopf raus. Man sieht die Figuren besser.

Sie inszenieren keine Bilder?
Mein Schwerpunkt sind ja Portraits und da hat mich auch immer der Raum interessiert, mit dem sich die Person umgibt. Der Raum gibt immer auch etwas von der Person wieder. Botho Strauß hatte einen Schreibtisch, einen Stuhl und ein Sofa – sonst nichts. Das wirkte wie eine Bühne, wie eine Theaterinszenierung und so ist auch das Bild geworden. Ich habe immer versucht, mit dem zu arbeiten, was ich vorgefunden habe.

Was ist das Rezept für ein perfektes Portraitfoto?
Bevor man den Menschen aufsucht, den man portraitiert, ist es ganz wichtig, sich über ihn zu informieren. Welche Bücher schreibt er? Welche Musik komponiert er? Man muss sich sehr viele Informationen über diese Person aneignen. Dann war es mir immer wichtig, dass man sich sehr zurücknimmt und die Person nicht mit allen möglichen Anforderungen überhäuft. Man muss ihr die Möglichkeit geben, sich in seiner Umgebung wohl zu fühlen, weil man ihn zeigen möchte, wie er eigentlich ist und nicht, wie er gern sein würde. Man muss ein Gespräch führen und zwischendurch fotografieren. Ich bin in diesem Moment hoch konzentriert und schaffe das nicht länger als eine Stunde, danach bin ich völlig erschöpft. Ich muss eine eigene Erzählebene finden und das ist nicht leicht.

Haben Sie ausschließlich schwarz-weiß fotografiert?
Ja, für die Zeitung damals wurden die Fotografieren in schwarz-weiß gebraucht. Dann gab es ab 1980 ein FAZ-Magazin, in dem auch farbige Bilder abgedruckt wurden. Mit Wolfgang Haut habe ich zwei Jahre lang in Farbe fotografiert und wir haben festgestellt, dass wir uns nicht von einem Art Director in einen Stil reinpressen lassen wollten. Wir wollten nicht das Spielmaterial für das Magazin liefern und haben deswegen nach zwei Jahren aufgehört. Ich mache nur schwarz-weiß, weil ich das Gefühl habe, dass die Farbe vom Inhalt ablenkt. Die Farbe ist wie eine schöne Verpackung, in der man gefangen ist, weil man dann erstmal abgelenkt ist. Dann kann es passieren, dass der Inhalt langweilt. In einer Zeitung ist der Text auch in schwarz-weiß; die Bilder dürfen davon nicht ablenken, sie müssen jedoch etwas Eigenständiges haben, etwas, was einen neugierig auf den Text macht, wo der Leser "hängen bleibt". Für die journalistische Arbeit habe ich immer Fotografien in schwarz-weiß bevorzugt.

...und das sagen die Schüler...

Priska Hofmann Der Besuch bei Frau Klemm hat mich tief beeindruckt. Ihre Fotografien sind genial – sie haben auf den Betrachter eine ganz besondere Wirkung, es war etwas ganz Besonderes.
Als ich über die Fotografin Barbara Klemm recherchierte, war für mich schnell zu sehen, dass sie sehr berühmt ist (...) Ihre Porträts zeigen die Person wie sie ist, nicht wie sie aussieht. Dabei wahrt die Fotografin stets die Privatsphäre der porträtierten Person. Ihre Bilder sind nicht gestellt im Sinne von arrangiert oder inszeniert. Blitz und Stativ benutzt sie praktisch nie. Wahrscheinlich wirken die Bilder deshalb so echt, so anrührend.
Sie selbst antwortet mir auf die Frage, was ihr „Geheimrezept für ein perfektes Foto“ sei, dass man schon einiges können müsse. Es sei ganz wichtig, da zu sein, wenn etwas los sei, den richtigen Moment zu verstehen und zu „erwischen“, aber immer sei auch das Quäntchen Glück nötig, um ein gutes Bild zu machen.

Obwohl Barbara Klemm zu den bekanntesten Fotografinnen unserer Zeit gehört, schaut sie sich unsere mitgebrachten Fotos interessiert an. „Gott hat die schönsten Formen“ hieß der Fotowettbewerb, an dem wir alle teilgenommen hatten (...) Barbara Klemm nimmt sich Zeit für jedes Foto und bespricht mit jedem von uns seine Entstehung, die Idee, die Qualität. Besonders toll finde ich, dass sie so ehrlich und nahbar ist. Trotzdem sie eine so berühmte und bewunderte Künstlerin ist, nimmt sie uns als Fotografen ernst.
Danach zieht sie aus einem Schrank mit vielen solcher Mappen einzelne heraus und zeigt uns ihre Schwarz-Weiß-Fotografien. Wir stellen Fragen und sie hat eine ganze Menge zu ihren Fotos zu erzählen: von Erpressern, Dieben, Vorurteilen, von berühmten Persönlichkeiten und von fernen Ländern.
Die zwei Stunden in Barbara Klemms Atelier haben nicht nur Spaß gemacht, sondern bei mir auch einen tiefen Eindruck hinterlassen. Sie ist nicht nur eine tolle Fotografin, sondern auch eine bemerkenswerte Persönlichkeit.

Anna Hetzel Das Treffen mit Barbara Klemm war eine neue Erfahrung. Sie erzählte uns von ihren Erlebnissen und Abenteuern in anderen Ländern und erklärte ihren Fotografie-Stil. Es war hochinteressant, ihr zuzuhören.

Svenja Schmidt Der Höhepunkt unseres Atelierbesuches war sicher Barbara Klemms Vorstellung eigener Schwarzweiß-Fotografien im Original und in Bildbänden. Sie zeigten z.B. wichtige Persönlichkeiten aus der Politik als auch beeindruckende Menschen und Landschaften aus exotischen Ländern. Den Besuch bei Frau Klemm habe ich sehr genossen. Ich wurde motiviert, mit der Fotografie weiter zu machen und mich für diese Kunst zu begeistern.

Hanna Hetterich Was erwartet mich, wenn ich eine berühmte und gute Fotografin treffen kann? Ein interessanter Mittag, der sich lohnt! Zuerst hat sich Barbara Klemm für unsere Werke interessiert! Aber natürlich kamen auch ihre Fotografien nicht zu kurz. Besonders spannend waren ihre Berichte über Fotoreisen in ferne Länder. Was eine Fotografin alles erlebt! Barbara Klemm hat uns die guten, spannenden und aufregenden Seiten des Fotografenberufs näher gebracht, aber auch die schwierigen Seiten nicht ausgelassen.

Artikel der Rhein-Main-Zeitung vom 13.11.2008

Fotos von den Schüler/innen der Freien Christlichen Schule Frankfurt und Christiane Lötsch