Schülerprojekte

100 Schüler - 10 Mitglieder

9. März 2010 -- Ivan Kafka und Gymnázium Na Pražacce

Auf den ersten Blick ist das Atelier von Ivan Kafka – Bildender Künstler aus  Prag – voll gestellt mit angehäuften Briefen, Postkarten und Katalogen; dazwischen entdeckt man spitze Pfeile, schwere Kanonenkugeln, rot-weiße Verkehrshütchen und falsch gehende Uhren –  Objekte vergangener Installationen.

Erst auf den zweiten Blick sieht man, dass jeder Stapel einer bestimmten Ordnung folgt. Hämmer, Stifte, Nägel liegen präzise nach Formen geordnet auf den Tischen und in den Regalen. “Ich bin sehr pedantisch”, erklärt Ivan Kafka den 15 Schülern aus dem Gymnazium Na Pražačce, “ich muss mein Werkzeug blind finden können, sonst werde ich verrückt.”


Den fast liebevollen Umgang mit Werkzeugen hat Ivan Kafka in seinen früheren Berufen gelernt: als Goldschmied mussten alle Utensilien sofort griffbereit sein. Aus seiner Zeit im meteorologischen Dienst bei der Armee stammt die Windhose, die er 1975/76 in den Böhmisch-Mährischen Höhen aufbaute („Aus der Geschichte vom Falten, Flattern, Heben“): „Als Meteorologe habe ich mich sehr frei gefühlt, ich war in der Natur, habe Insekten gefangen, bei jedem Wetter. Ich habe die Windhose als Objekt entdeckt und alle Möglichkeiten ausprobiert, sie in der Landschaft zu platzieren. Obwohl die Windhose ein sehr technisches Objekt ist, kann man sie sehr gut in die Landschaft integrieren. Diese Entdeckung war faszinierend für mich. Auf einmal hat sich die ganze Welt für mich aufgetan!“


Wie ist das, mit der Natur zusammen zu arbeiten?
Die Arbeit ist vergänglich, aber das stört mich nicht. Ich baue eine Installation in drei Tagen auf und überlasse sie dann ihrem Schicksal in der Natur. Wenn die Installation nicht gut geworden ist, hat das den Vorteil, dass sie irgendwann verschwunden ist. Wenn sie gelungen ist, ärgern Sie sich, dass Sie nicht mehr Einladungen verschickt haben. Ich versetze mich in einen Zustand permanenter Unsicherheit. Ich muss jedes Mal vor Ort nachdenken, der Kampf findet nicht im Atelier, sondern draußen in der Landschaft ab.


Welche Materialien verwenden Sie?
Ich nehme das, was vorhanden ist, ich karre keine Säcke voll Blätter an, wie andere Künstler es tun. Die Geheimpolizei hat damals so manche Installationen verboten, deswegen habe ich schweres Material wie Steine oder Kanonenkugeln genommen. So konnten meine Installationen nicht einfach weggetragen werden.


Wie war das, im künstlerischen Untergrund zu arbeiten?
Die schwierige Zeit…ich möchte nichts idealisieren, aber bei der Kunst blieben in diesen Zeiten nur solche Leute, für die sie wirklich notwendig war. Nur die Steine blieben, das kleine Geröll verschwand. Es gab auch viele menschliche Tragödien: manche Künstler hatten keine Möglichkeit, auszustellen, manche konnten ihren Lebensunterhalt nicht verdienen, andere haben sogar Selbstmord begangen. Trotzdem, diese Abschottung hat viele großzügige, wundervolle Werke geschaffen – bis heute.


Ist das für unsere Generation vorbei?
Wenn Ihr bestimmte Werte haben wollt, müsst Ihr etwas ändern. Macht Euch Gedanken, denkt über die Zusammenhänge nach! Je mehr Ihr wisst, desto größere Geheimnisse werden Euch aufgehen. Das ist wie ein Spinnennetz, die Themen sind verbunden, werden zu größeren Einheiten. Wenn sich das System ändert, dann solltet Ihr nicht hart sein wie trockenes Getreide. Ihr solltet die Dinge reflektieren können!


Man hat den Eindruck, Sie würden sich mit Ihren Werken von außen nach innen bewegen.
Ja, zuerst waren die Aktionen in der Böhmisch-Mährischen Landschaft, dann im urbanen, öffentlichen Raum. Als wir die Installationen in den Prager Innenhöfen und auf Tennisplätzen gemacht haben, war das auch ein Schritt auf die Öffentlichkeit zu. In der Landschaft kam ab und zu ein Spaziergänger vorbei, in der Stadt kamen die Leute mit ihren Plastiktüten teilweise ganz bewusst, um unsere Installationen zu sehen, da ist man ins Gespräch gekommen. Mit der Arbeit „12:15“ und verschiedenen Gruppenausstellungen habe ich letztendlich in Galerien, Ausstellungen und Akademien ausgestellt. Heute entstehen weniger Installationen in der Landschaft; ich bin kein Künstler, der per Fax Anweisungen schickt, ich muss immer selbst vor Ort sein.


Haben Sie mit jedem Werk eine Botschaft?
Ich möchte mit jedem Werk etwas sagen. Mit den Pfeilen wollte ich zum Beispiel ausdrücken, dass wir nach der Wende an einem Ort verweilten, ohne uns fortzubewegen. “Von nirgends nirgendwohin” ist der Titel. Es muss aber auch immer einen Spielraum für Humor geben. Was man die Dinge zu Ernst nimmt, wird es langweilig. Das spielerische Element ist mir wichtig, weil damit eine universelle Sprache entsteht, die jeder versteht.


…und das sagen die Schüler…

- Sein Werk gefällt mir und es ist schön zu wissen, unter welchen Umständen diese Werke entstanden sind. Es ist wie ein Schlüssel zu seinem Werk und das finde ich spannend.

- Es hat mir gut gefallen, an den Arbeitsplatz von Ivan Kafka zu kommen; an den Ort, wo er tatsächlich kreativ tätig ist. So konnte ich die Entstehungsgeschichte von einigen Werken mitbekommen. Wenn ich nur das fertige Werk sehe, ist das für mich nicht mit so vielen Emotionen verbunden wie jetzt.


Fotos: Christiane Lötsch