ELLEN AUERBACH ZUM 100. GEBURTSTAG

Ellen Auerbach zum 100. Geburtstag
Veranstaltung am 30. April am Pariser Platz

Ellen Auerbach hatte den Wunsch, ihren Namen mit der Akademie zu verbinden. Unsere Akademieausstellung „Ellen Auerbach. Fotografien" im Jahr 1998 gehörte zu ihren besten Erfahrungen. In die Ausstellung am Hanseatenweg strömten die Besucher, jung wie alt. Ellen Auerbach fühlte sich verstanden und aufgehoben. Der Vorschlag, ein Stipendium mit ihrem Namen auszurufen, gefiel ihr gut. Sie bestimmte in ihrem Testament, daß die Akademie ein solches Stipendium mit den Mitteln ihres Nachlasses finanzieren sollte. Das Stipendium wird von nun an alle zwei Jahre vergeben. Es gibt Richtlinien, die festlegen, wer die Kandidaten vorschlägt und wie sich die Jury zusammensetzt. Man kann sich nicht bewerben. Das Stipendium umfaßt 10.000 € und weitere 10.000 € für eine Ausstellung oder eine Publikation. Für das erste Stipendium kamen Vorschläge von: Sibylle Bergemann, Mitglied der Sektion Film- und Medienkunst, Ute Eskildsen, Museum Folkwang Essen, Matthias Flügge, Sektion Bildende Kunst, Hans Dieter Grabe, Sektion Film- und Medienkunst, Inka Graeve, Pinakothek der Moderne, München, Robert Mann, Galerie Robert Mann New York, Ulrike Ottinger, Sektion Film- und Medienkunst, Michael Ruetz, Sektion Film- und Medienkunst. Die Jury bildeten Barbara Klemm, Hanns Schimansky, Mitglieder der Akademie der Künste und Ute Eskildsen, Leiterin der Fotografischen Sammlungen im Museum Folkwang Essen. Die Jury entschied sich einstimmig für die marokkanisch-französische Fotografin Yto Barrada, 1971 in Paris geboren, in Tanger und Paris aufgewachsen, Fotografenausbildung an der Sorbonne und am International Center of Photography in New York. Yto Barrada leitet seit kurzem die Cinemathek in Tanger.
R enate Schubert

Das zum 100. Geburtstag erscheinende Buch „Ellen Auerbach. Das dritte Auge. Leben und Werk“ – Verlag Schirmer/ Mosel, das in der Buchhandlung in Akademie der Künste erhältlich ist – wurde von Inka Graeve Ingelmann, Pinakothek der Moderne München, vorgestellt, die das Buch in Zusammenarbeit mit Ellen Auerbach erarbeitete. Originalfotografien und Archivalien aus dem Fundus des Auerbach-Archivs der Akademie der Künste sind noch bis zum 19. Mai in der Luisenstraße 60 zu sehen.

Aus dem Vorwort von Matthias Flügge zur Ellen Auerbach Monographie:
Als 1998 die Akademie der Künste am Hanseatenweg die erste Ausstellung mit Bildern von Ellen Auerbach eröffnete, kam sie aus New York gereist. Eine jung und ein wenig fragil wirkende ältere Dame mit regen schwarzen Augen und einer grauen Ponyfrisur. Die große Halle war mit Besuchern nahezu überfüllt, die sogenannte Fotoszene vollständig vertreten. Klein und bescheiden, fast ein wenig verunsichert nahm sie die Honneurs entgegen. Dabei war sie diese in Amerika längst gewöhnt: eine Entdeckung in späten Jahren, die sie gewesen ist. Seit der Mitte der sechziger Jahre hat sie nicht mehr fotografiert und ein erfülltes Leben als Kindertherapeutin gelebt, währenddessen sie zunächst in New York, dann auch in Europa der Ruhm doch noch ereilte. Barbara Klemm, die ebenbürtige Fotografin und langjährige Freundin, hatte das Berliner Ereignis arrangiert, der Besuch war eine der letzten Reisen, die Ellen Auerbach nach Europa unternahm. Irgendwann an diesem Tag kam der greise Bernhard Minetti, vor allen Augen spielte sich ein Wiedersehen nach Jahrzehnten ab, das in unserem, an Begegnungen reichen Haus gewiß unvergleichlich war. Die Bilder an den Wänden, Fotografien aus allen Phasen ihres Schaffens, gewannen in dieser berührenden Szenerie eine zusätzliche Dimension als Zeugnisse einer Biografie, die ein Jahrhundert überspannte, das sich zu jener Zeit dem Ende neigte. Es war einer jener Momente, in denen Geschichte fühlbar wird. Viele, die dabei waren, haben das so empfunden. Ellen Auerbach, die jüdische Künstlerin, mit Ende Zwanzig aus Deutschland vertrieben, in Palästina heimatlos geblieben und dann über London nach New York gegangen: ein Emigrantenschicksal, das es ungezählte Male gab. Das Leben einer Frau, die Verluste erlebt hat und, wie die Bilder zeigen, auch viele glückliche Tage. Die Fotografie war nicht ihr einziger Lebensinhalt, sie war ein Mittel ihres Lebens, nicht der Zweck. Mit ihrer Hilfe versicherte sie sich der Wirklichkeit, ein Vorgang, der zu Zeiten wichtig war, zu anderen weniger. Ellen Auerbach hat ein künstlerisches Leben geführt, auch wenn nicht immer Kunst entstand. Dieses Leben, die innere Freiheit, sah man ihr an, im Gegenüber und in den Filmen und Interviews, die über sie und mit ihr gemacht wurden. Sie war eine Weltbürgerin, und sie war auf der Suche nach einer transzendentalen Existenz, man könnte meinen, nach einer Heimat jenseits der materiellen Wirklichkeit. Den Bildern ist das nicht ablesbar. Sie sind ganz diesseitig, als wären sie nur entstanden, um die wirkliche Existenz der Welt zu beweisen.

(...) Am Ende hat sie der Akademie der Künste ihren Nachlaß anvertraut: Negative, Vintage prints und ein Vermögen, das es der Akademie ermöglicht, fortan ein Stipendium zu vergeben, das ihren Namen trägt und keinerlei Bedingungen an das Werk des Empfängers knüpft außer der, daß es vorausweisend und zugleich ganz individuell sein soll.
D ie Akademie der Künste dankt Ellen Auerbach für ihr Werk und ihre posthume Rückkehr nach Europa.