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G u n t e r D e m n i g
Seit 1979 beschäftigt sich Gunter Demnig mit dem akustischen Phänomen des Infraschalls, das er zunächst in übergroßen Trillerpfeifen skulptural umsetzte. Nach und nach näherte er sich monumentalen Formen, wie sie z.B. in der Skulptur Schwarzer Turm realisiert sind. Am Anfang seiner Arbeit waren unterschiedliche Hölzer (Holunder, Bambus) seine bevorzugten Baumaterialien. Da diese aber auf Schwankungen der Luftfeuchtigkeit zu empfindlich reagieren, ging er später zum Gebrauch von Aluminium und Messing über.

Die Skulpturen Schwarze Türme werden auch als Musikinstrumente benutzt, so in Zusammenarbeit mit den Musikern Eckhart Liss (Querflöte) und Gerhard Klink (Kontrabaß). Ihr Zusammenspiel orientiert sich an dem Wechselspiel von Festgelegtem, in der Partitur fixiertem Klang, und Improvisation.
Das Gemeinsame an den verschiedenen Klangskulpturen von Demnig ist ihre Konstruktion ins Überdimensionale, ja Monumentale. Vielfach ineinander verschlungene und verästelte Krakenarme münden in runde oder mehreckige Trichter, Trillerpfeifen nehmen gargantueske Ausmaße an, tubaähnliche Formen geraten zu gigantisch übermäßigen Skultpuren.
Gebaut werden diese Skulpturen aus Holz, Pappe und Papier, die Stimmen aus Aluminium und Messing. Mittels Luftgebläse werden sie — als der Familie der Aerophone zugehörig — zum Klingen gebracht. Unterschiedlich farbige Oberflächen (weiß, gelb oder schwarz) unterstreichen noch ihren plastischen Charakter. Sie nehmen die Räume, in die sie gestellt werden, ganz ein. So müssen die Trompeten von Jericho ausgesehen haben, unter deren mächtigem Schall die Mauern der Stadt ihren Widerstand aufgaben.

Doch es ist nicht dieser mit den Dimensionen assoziierte Höllenlärm, der aus diesen Klangskulpturen schallt. Demnigs Klangskulpturen arbeiten mit Infraschall. Dieser bezeichnet das Schwingungsgebiet unterhalb der Hörgrenze von 16 Hz. Infraschallwellen sind naturwissenschaftliche Bestimmungsgrößen bestimmter Bodenerschütterungen. Sie sind so wenig hörbar wie Ultraschall. Aber auch Druckschwankungen außerhalb des Hörbereichs vermögen psychische Wirkung hervorzubringen.

Wenn diese Klangskulpturen auch keine Mauern zum Einsturz bringen, so versetzen sie doch die Räume, in denen sie installiert sind und die dort sich aufhaltenden Menschen in ein Zittern und Beben und machen, ohne daß ein Ton zu hören ist, Schallwellen physisch und psychisch erlebbar.

Barbara Barthelmes




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