Warum der Elefant im Raum?

Plötzlich Elefant

Aus einem Arbeitsbuch von Mark Lammert

16. Mai 2019

Von Kathrin Röggla

Warum der „Elefant im Raum“ – wohin soll diese Redewendung führen? Ist sie nicht allgegenwärtig, missbraucht als rhetorische Figur für ein angeblich nicht anzusprechendes Thema, wo wir doch wissen, alle Themen sind ansprechbar? Sind es nicht erste Abnutzungserscheinungen, die wir an dem Tier bemerken können, dass durch die anglophone Tür unseren Sprachraum betreten hat und irgendwie seit Mark Twain literarische Phantasien eröffnet?

Sicher, alle Themen sind ansprechbar, so grundsätzlich, aber eben nicht zu jeder Zeit. Es sind Elefantenherden da, trotz der Talkshow- und Quasselgesellschaft, trotz investigativen Journalismus und Medienvielfalt. Breitband, wohin man schaut und Breitbart leider ebenfalls, und dort ist der Ort, wo schon wieder polemisiert wird, wo pinke Elefanten hinter honorige Politiker tänzeln dürfen, um sie zu verhöhnen, weil sie angeblich Teil einer Verschwörungsriege seien, die eine angebliche Mitte betrüft. Warum also ausgerechnet der Elefant? Ist er wirklich ein Tier? Tritt er wahrhaftig in Erscheinung – ist er ein ästhetisches Phänomen? Mit welcher Kontur ist zu rechnen?

Vielleicht ist er ja ein Zahlentier? Wie kann es auch anders sein in einer Zeit, in der Quantität bestimmt, wer das Sagen hat: Die Anzahl der Namensnennung politischer Figuren ist es, die sie wählbar werden lässt, und die die Form ihrer Aussagen bestimmt. Die Flut der leeren Behauptungen ist es, die deren Dementierbarkeit unterläuft. (Man kann in einem Gespräch sein Gegenüber schließlich nicht andauernd korrigieren.) Die Anzahl von Tweets und Blogbeiträge erzeugen die Stimmung. Massivität statt Argument. Ist das schon der Elefant?

 

Kathrin Röggla, Schriftstellerin, ist Vizepräsidentin der Akademie der Künste und Mitglied der Sektion Literatur. Zusammen mit Manos Tsangaris und Karin Sander hat sie das Forschungslabor „Wo kommen wir hin“ initiiert.

Unter dem Zeichen des Elefanten werden ab 18. Mai 2019 einzelne Räume des Akademie-Gebäudes am Hanseatenweg in eine labyrinthische Ordnung gebracht. Halle 1, das Studio für Elektroakustische Musik, das sogenannte Beckett-Atelier, der Gräsergarten u. a. werden Teil einer Struktur des Unsagbaren, des verhinderten Gesprächs, des verdrängten Konflikts und Missverständnisses. Es entsteht eine akustische, visuelle und performative Installation, die Kathrin Röggla, Mark Lammert und Eran Schaerf mit anderen Mitgliedern der Akademie und Gästen entwickelt haben.

Die Eröffnung der Installation Der Elefant im Raum findet am 17. Mai, 19 Uhr statt.