Gute Dinge passieren

7. Mai 2019

A.L. Kennedy  über Standup Comedians – übersetzt und komprimiert in das Deutsch von Kathrin Röggla

Es kursieren Gerüchte, dass A.L. Kennedy in einem Club in Edinburgh oder Glasgow als Standup Comedian auftritt. Diesem Gerücht gehe ich nicht wirklich nach, stattdessen lasse ich mich von ihr daran erinnern, dass die Kultur des Witzeerzählens mit der Dominanzkultur zu tun hat und mit der Frage, worüber man lachen darf und worüber eben nicht, und dass ein großer Teil der Witzkultur in kleinen Kämpfen ausgetragen wird, von Männern, die andere attackieren, die gerade nicht im Raum sind. Wenn man witzig ist, wird dir zugehört, niemand unterbricht dich, so ist das also. Aber da gibt es doch Unterschiede.

Bis in die 1980er Jahre habe man auf der Standup-Bühne über Frauen gelacht wegen ihrer puren Existenz. Ältere Frauen, die Witze über sich selbst machen, sehr autoaggressiv, und eine richtige Selbstmordstimmung erzeugen. Immer wieder: „Ich weiß, ich bin dumm und dick, aber ich bin die, die es zuerst sagt.“ Sie hätten diese Geste einfach machen müssen, als eine Art Präventivgeste.

Ja, wiederholt A.L. Kennedy, die Arbeit des Witzerzählens hat viel mit Dominanz zu tun. Sie selbst sei aber nicht so sehr an diesem kämpferischen System interessiert, vielmehr schenke sie Comedians Beachtung, die sich selbst opfern, die die Welt nicht verstehen, die zumindest Lücken im Verständnis haben. Was nicht helfe, ist zu hecheln (hackling). Die hechelnden Komiker würden auf wenig Gegenliebe im Club stoßen, denn das wollten die Leute nicht erleben, die in solche Clubs gehen würden.

Dort würde man allerdings auch mit den spontansten der unspontanen Dinge konfrontiert, fährt A.L. Kennedy fort. Z.B. wie der Comedian mit der ersten Reihe umgeht, wenn er jedesmal so tut, als wäre es das erste Mal, dass jemand aus der ersten Reihe angesprochen werde. Dabei passiert das doch immer. Also entweder wollen die Menschen in der ersten Reihe wirklich dort sitzen oder sie wollen es gar nicht, und es waren einfach die letzten freien Plätze. Dann geschieht das Übliche: Man fragt ein Paar, wie lange seid ihr verheiratet, und die Frau wird es immer genau wissen, und der Mann wird immer keine Ahnung haben usw.

Man verbindet ja, Spaß zu haben, mit einem positiven Lebensgefühl, setzt die schottische Schriftstellerin neu an – das stimmt! Und ja, der Blutdruck stabilisiert sich, die ganze Chemie im Körper wird besser, der Stress lässt nach, da ist plötzlich mehr Sauerstoff im Raum, gute Dinge passieren, und wir assoziieren Wahrhaftigkeit, nein, Wahrheit mit Funnyness. Das könne man schon alleine daran sehen, dass Komiker in den USA oftmals Werbung machen oder Voiceovers.

Auch in einer Erzählung verbinden wir das Komische mit Wahrheit. Wenn du jemanden zum Lachen bringst und ihm dann Angst machst, wird diese Person sich noch mehr fürchten. Wenn du jemanden zum Lachen bringst und dann traurig machst, wird er noch trauriger. Es sei also auch ein Verstärker, überlege ich. Aber natürlich seien Witz und Humor zwei verschiedene Dinge, fährt sie fort. Das ist dann der Moment, in dem ich meine Empathie ins Spiel bringen kann, die von mir für den Humor doch als wesentlich befundene Empathie – ja, die Empathie ...

A.L. Kennedy ist aber kämpferischer aufgelegt und insofern schon zurückgekehrt zu den Satirikern mit ihrem Gestus, Menschen zu attackieren, die ansonsten nicht attackiert werden würden, auch wenn es natürlich geschieht. Der Witz als Waffe, der bei autoritären Führern wirke, weil diese auf sich selbst bezogen immer sehr empfindlich seien.

Ich sehe schon, wir kommen selbst in diesem Gespräch nicht an den großen Trump-Ballonen vorbei, an lustigen Sprüchen entlang des Highways oder an den berühmten Late Night Shows. Da wäre Keith Olbermann und sein Hundemonolog über Trump. Also der, in dem er behauptet, Trump möge keine Hunde, weil er immer sagt: Der und der stirbt wie ein Hund, der wird gefeuert wie ein Hund, der erstickt wie ein Hund. Olbermann wisse, jemand, der keinen Hund lieben kann, erscheine nicht wie ein menschliches Wesen, und so komme er zu dem Schluss der Nummer: Er hätte nun einen Hund.

Übrigens sei es auch Olbermann gewesen, der das mit den Russlandkontakten immer und immer wieder gesagt habe, fügt sie hinzu. Und ja, die Kavanaugh-Anhörung, die Matt Damon persifliert hat (wir brauchen die großen Hollywoodstars derzeit, wir brauchen sie wirklich!), und Stephen Colbert, John Oliver!

Und dann kommt der Moment im Gespräch, an dem ich nicht weiß, ob A.L. Kennedy es wirklich seltsam findet, dass wir uns die langweiligsten Dinge durch Funnyness näherbringen müssen, wie z. B. die Finanzkrise, die uns ein Filmstar, der sich in der Badewanne räkelt, in The Big Short (2015) erklärt. Funny, funny, funny! Ein beliebter Trick sei es auch, übrigens ganz misogyn, die Männer, über die man sich lustig macht, von Frauen spielen zu lassen. Sean Spicer wird immer eine Frau sein, insistiert Kennedy. Und natürlich muss der Erfolg der Satiresendungen von Donald Trump ständig in Abrede gestellt werden, denn das bedrohe ihn zu sehr.

Ich verstehe langsam, dass uns die Zentralperspektive zur Erstellung des Komischen nicht wirklich weiterführen wird. Der Zwang, darüber nachzudenken, ob die Musik auch lustig genug ist, das Gesicht lustig genug etc. ... Etwas zu beschreiben, kann beispielsweise ganz wunderbar komisch sein. A.L. Kennedy habe die besten Lacher bei Beschreibungen gehabt, und es sei schon erstaunlich, wie sich auch in diesem Kontext immer die Kraft der Sprache erweise. Man müsse sich nur mal vorstellen: Es ist Samstag Nacht in Glasgow, alle sind betrunken, aber sie reagieren auf das, was Sprache macht! Da geht es nicht um Literatur, es ist die Sprache, die richtige Beschreibung ruft den komischen Effekt hervor, sie erzeuge die Lacher. Und so, schließt A.L. Kennedy, wird Donald Trump in Glasgow immer Präsident Burbank sein.

Ob die Erfahrung des Komikerinnendaseins die Literatur insgesamt verändere? Vielleicht. Vielleicht macht es sie ein wenig schneller? fragt A.L. Kennedy vorsichtig zurück. Aber man solle Komiker auch schon deswegen beobachten, weil sie robuste Geschichten erzählten, ihre Geschichten müssten ja einer ganzen Arena voller Menschen standhalten. Und sie müssten die Fähigkeit mitbringen, der Boss zu sein.

Wenn also A.L. Kennedy ihre Studierenden in einen Club bringe, und die stünden dann mit einem Papier da auf der Bühne und hielten dieses Papier zwischen sich und das Publikum, dann sei es schon vorbei. Das täten die natürlich aus Angst. Es ist die Angst, die man vor dem Publikum hat, und die sich sofort auf das Publikum überträgt, sodass das Publikum die ganze Zeit nur mit deiner Angst beschäftigt ist und nicht mit dem, was man machen möchte. Es sei die Angst, die verhindert, dass du durchscheinend wirst, die dich nicht mit dem Material arbeiten und dich auch umgekehrt nicht wahrnehmen lässt, was im Raum passiert – also, wie der schottische Komiker Billy Connolly, der aus dem Folk kommt und genau weiß, wenn ein Lacher ein zu kleiner Lacher ist, und er die Sache so wiederholt, dass er einen größeren Lacher bekommt, und dann auch noch sagt: „That was the laugh, I should have got.“ Weit davon entfernt, findet sich das Grüppchen der Ängstlichen auf der Bühne.

Ich bin mir sicher, A.L. Kennedy und ich werden noch eine ganze Weile über Tschechow und Shakespeare sprechen und über das Nichterlaubtseins von Würde in unseren Tragödien des realen Lebens, über die doppelte Zerbrechlichkeit, unter der man leidet, aber ich möchte doch jetzt bei diesem Punkt bleiben, bei der Angst und der Tatsache, dass die schnellste Verbindung der Angst zur Atmung besteht – zur Atmung und zur Stimme.

Und dass man den Leuten mal wirklich zuhören sollte. Also an ihren Stimmen hören sollte, was eigentlich los ist. Den murmelnden und nahezu unverständlichen Aristokraten, den monobesetzten Faschisten, die nur noch einen stimmlichen Aspekt übrighätten, wie dem wie betrunken klingenden Trump, den hechelnden Frauen – ja, wie man mit dem Atem steckenbleiben kann in einer Eskalation. Man soll ihnen zuhören und vor allem sich selbst zuhören, denn es gebe ja Abhilfe. 

Und die Abhilfe komme durch die richtige Atmung – doch was heißt hier richtig? Durch Atmung. Darin Beweglichkeit herzustellen, dafür gibt es ja Methoden, wie die Wolfsohn-Methode, benannt nach Alfred Wolfsohn, der sie aufgrund der Erfahrungen des Ersten Weltkrieg, als er die Schreie der Sterbenden hörte, entwickelt habe. Er habe sich gesagt: Diese Schreie enthielten alles, aber: Diese Fülle sollten die Menschen schon vorher zur Verfügung haben – ein humanistischer Schluss, den ich ganz erstaunlich finde, der aber zu A.L. Kennedy passt. Sie wird die mir gleich einiges über diese Art der geheimen Stimmarbeit von Wolfsohn erzählen, die ich einführen möchte in unsere Akademie. Wer weiß, was dann bei uns los sein kann. 

Das Gespräch von Kathrin Röggla und A.L. Kennedy wurde im November 2018 geführt.

Die schottische Schriftstellerin A.L. Kennedy ist seit 2017 Mitglied der Akademie der Künste, Sektion Literatur. Am 8.5.2019, 19 Uhr, ist sie zu Gast in der Akademie am Hanseatenweg und bietet gemeinsam mit Ros Steen, Sprechtrainerin am Royal Conservatoire of Scotland, einen Stimmworkshop an. Anschließend wird sich Kathrin Röggla mit A.L. Kennedy und Ros Steen über das Sprechen in rechtspopulistischen Zeiten unterhalten.