Warum wir uns lieben

Die Geschichte der Freundschaft zwischen Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim und Werner Schroeter

Von Rosa von Praunheim

Es begann Mitte der 1960er Jahre. Ich traf Elfi Mikesch mit ihrem damaligen Mann Fritz in Frankfurt am Main. Elfi hielt mich für einen Teufel. Ich malte dreckige Bilder, schrieb absurde Gedichte und ermutigte beide, als freie Künstler nach Berlin zu kommen, wo ich Malerei studierte und in einer Ladenwohnung meine Galerie Clo betrieb. Elfi, die eine Fotografenausbildung in ihrer Heimatstadt Judenburg in Österreich absolviert hatte, dokumentierte meine Fotoinszenierungen mit meinen Superstars aus Sex einer Idiotin und Todesarten. Daraus entstand 1969 das gemeinsame Fotobuch Oh Muvie.

1971 lud ich Fritz und Elfi zur Zusammenarbeit an dem Film Leidenschaften ein, den wir in zehn Städten in Amerika und Asien drehten. Fritz spielte die Hauptrolle, Elfi und ich machten Kamera. Wir drehten auf Super-8. Nach vier intensiven Monaten, in denen wir von Glasgow nach New York, von Mexiko nach Hollywood, von Tokio nach Saigon und von Kalkutta nach Innsbruck reisten, konnten wir uns einige Jahre nicht mehr sehen. Werner Schroeter lernte ich Silvester 1967/68 auf dem EXPRMTL-Filmfestival in Knokke-le-Zoute, Belgien, kennen und lieben. Ich hatte einen ersten Kurzfilm gedreht (Von Rosa von Praunheim, 1967) und Werner einen Katzenfilm (Verona. Zwei Katzen). Ich besuchte ihn in seiner Heimatstadt in der Nähe von Heidelberg, und wir drehten gemeinsam Grotesk – Burlesk – Pittoresk, in dem zum ersten Mal sein späterer Star Magdalena Montezuma auftrat.

Ich holte Werner nach Berlin, wo wir uns Ende der sechziger Jahre gegenseitig bei experimentellen Filmen unterstützten. 1969 erhielten wir beide Auszeichnungen bei der Internationalen Filmwoche Mannheim: ich für Schwestern der Revolution, er für Eika Katappa. Unsere Liebe erlosch, aber nicht unsere Freundschaft, die mit vielen Höhen und Tiefen bis zu seinem Tod 2010 anhielt.

Elfi Mikesch hatte sich in Berlin von ihrem Mann getrennt und lebte fortan Frauenbeziehungen. Sie machte erste fantasievolle Super-8-Filme wie Charisma, die Maske des roten Todes, und ich unterstützte sie bei ihrem ersten langen Film Ich denke oft an Hawaii, für den sie 1978 gleich den Bundesfilmpreis erhielt. Durch mich hatte sie Werner Schroeter getroffen und schätzen gelernt. 1972 machte sie für seinen Film Salome, der im Libanon gedreht wurde, Maske und Kostüm. Nach vielen eigenen wunderbaren Filmen etablierte sie sich international als Kamerafrau. 1984 übernahm sie die Kamera für meinen Film Horror Vacui und 1986 für Schroeters Der Rosenkönig, seinen letzten Film mit der großartigen Magdalena Montezuma, die kurz danach an Krebs starb. Viele Kameraarbeiten für Werner und mich folgten.

Trotz meiner oft provozierenden Art war Elfi immer solidarisch und ausgleichend. Sie ist bis heute meine beste Freundin. Ich verehre ihre Kunst, ihre außergewöhnliche Bildgestaltung und durfte die Laudatio halten, als sie 2006 beim Deutschen Kamerapreis den Ehrenpreis für ihr Lebenswerk bekam.

Ich war oft neidisch auf Werner Schroeters internationale Karriere. Er wurde in Frankreich und Italien Kult, bekam über 40 Filmpreise und machte unzählige Theater- und Operninszenierungen. Kurz vor seinem Tod erhielt er beim Filmfestival in Venedig 2008 den Goldenen Löwen für sein Gesamtwerk.

Werner waren Aggressionen fremd, all meine Kritik glitt an ihm ab. Oft verstand ich sein Pathos nicht und seine Sehnsucht nach großen Gefühlen, aber ich bewunderte seine großen Bilder. Ich war politischer als er und sehr engagiert in der Schwulenbewegung. Meine Bilder waren schnell und dreckig, und Cineasten verachteten mich dafür. Elfi und Werner hatten gemeinsam das ästhetische Genie. Mir waren Inhalte wichtiger und weniger die Form.

Wir drei hatten Glück, dass wir aus unserer Berufung einen Beruf machen konnten, dass wir anerkannt wurden und immer wieder Geld für unsere oft schrägen und zum Teil unkommerziellen Filme bekamen. Bei mir sind es jetzt über 50 Jahre im Beruf.

Uns drei vereint unsere Homosexualität, die wir offen leben, auf die wir stolz sind und die unsere Form und unsere Inhalte geprägt haben.

Rosa von Praunheim, 2018

 

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