10.6.2013, 15 Uhr

Akademie der Künste trauert um Walter Jens

Walter Jens, 2006. Foto Inge Zimmermann

Die Akademie der Künste trauert um ihren ehemaligen Präsidenten Walter Jens, der am 9. Juni 2013 im Alter von 90 Jahren in Tübingen verstorben ist.

Walter Jens wurde am 8. März 1923 in Hamburg geboren, wo er aufwuchs und 1941 sein Studium der Germanistik und Klassischen Philologie aufnahm, das er 1943 in Freiburg im Breisgau fortsetzte. Aufgrund seiner Asthmaerkrankung wurde er vom Kriegsdienst befreit. Auf seine Promotion 1944 folgte nach wissenschaftlicher Assistenz in Hamburg und Tübingen 1949 seine Habilitation im Alter von 26 Jahren.
Walter Jens war seit 1950 Mitglied der Gruppe 47, im selben Jahr erschien im Rowohlt Verlag sein viel beachteter Protestroman gegen totalitäre Macht „Nein. Die Welt der Angeklagten“. 1951 heiratete er die Literaturwissenschaftlerin Inge Jens, mit der er die beiden Erfolgsbücher „Frau Thomas Mann“ und „Katias Mutter“ veröffentlichte. Von 1963 bis 1988 bekleidete er den bundesweit ersten Lehrstuhl für Allgemeine Rhetorik der Eberhard Karls Universität Tübingen. Von 1976 bis 1982 war er Präsident des PEN-Zentrums der Bundesrepublik. In den frühen Achtzigerjahren engagierte er sich mit Heinrich Böll und anderen namhaften Schriftstellern in der Friedensbewegung gegen den Nato-Doppelbeschluss, 1983 beteiligte er sich an der „Prominentenblockade“ am Pershing-Depot in Mutlangen.

Die Westberliner Akademie der Künste wählte Walter Jens 1989 zu ihrem Präsidenten. Eine Zwangsvereinigung mit der Akademie der Künste der DDR kam für ihn nicht in Frage. Im Zuge der deutschen Vereinigung ging er zusammen mit Heiner Müller, Präsident der Akademie der Künste (Ost) – allen Anfeindungen zum Trotz – den mühsamen Weg einer gleichberechtigten Zusammenführung beider Akademien. Es wurde ein Beispiel für eine Vereinigung, die ohne die Demütigung eines Partners gelang. Walter Jens hat die zehn Jahre seiner Präsidentschaft einmal als seine glücklichste Zeit beschrieben.

Dass der demokratische Aufbau unserer Republik nach 1945 so gelang, ist auch Frauen und Männern wie Inge und Walter Jens zu verdanken. Nicht nur Deutschland verliert in ihm einen der wortmächtigsten Mahner. Aus bitterer Erfahrung wurde für den Citoyen Jens Einmischung zur ersten Bürgerpflicht. Er konnte Lust auf Demokratie machen. Ich verliere in ihm nicht nur einen väterlichen Freund und Ratgeber, sondern einen aktiven und verlässlichen Mitstreiter im Kampf für eine lebendige Demokratie. Er war davon überzeugt, dass sich Intellektuelle in die gesellschaftlichen Belange einzubringen und zu warnen haben, wenn Freiheitsrechte gefährdet sind. Bei aller Trauer: Sein Beispiel ist für uns Ansporn und Verpflichtung.

Klaus Staeck
Präsident der Akademie der Künste

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