7.2.2024, 14 Uhr

Akademie der Künste trauert um Helga Paris (1938 – 2024)

Helga Paris

Am 5. Februar 2024 ist die Fotografin Helga Paris in Berlin verstorben. 1938 in Gollnow (Pommern), heute Goleniów (Polen) geboren, erlebte sie ihre Kindheit und Jugend in Zossen, in der Großfamilie der Mutter. Von 1956 bis 1960 studierte sie Modegestaltung an der Ingenieurschule für Bekleidungsindustrie in Berlin. Arbeiten in einem Bekleidungswerk in Wittenberge und als Gebrauchsgrafikerin in Berlin folgten. Nach der Geburt ihrer beiden Kinder, ermutigt von einem befreundeten Dokumentarfilmregisseur, begann sie 1967 bewusst zu fotografieren. Zunächst in ihrem Haus, in ihrer Straße, ihren Kneipen im Prenzlauer Berg. Sie begleitete fotografisch eine Inszenierung von Benno Besson an der Volksbühne Berlin, später Inszenierungen am Deutschen Theater.

1972 wurde sie Mitglied im Verband Bildender Künstler. Ob Arbeiterinnen aus dem VEB Bekleidungswerk „Treffmodelle Berlin“, Gesichter und Häuser der dem Verfall preisgegebenen Stadt Halle an der Saale, Müllfahrer aus der Nachbarschaft oder Punks im Prenzlauer Berg, ihre Fotografien sind auf eine stille Weise getragen von großem Respekt und Vertrautheit. Sie erzählen mit außergewöhnlichem Feingefühl vom alltäglichen Leben in der DDR. Nach 1989 entstanden weitere Serien wie „Erinnerungen an Z.“, „Podróż Polska“ oder „Il Legionario“, konsequent in analogem Schwarz-Weiß fotografiert, bis sie ihr Werk 2011 abschloss. 2004 erhielt sie den Hanna-Höch-Preis und Werkausstellungen in der Berlinischen Galerie und im Sprengel Museum Hannover. Seit 2012 führt das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) eine Ausstellung ihres Werkes im Verleih, die etliche Länder bereiste. 2019 widmete ihr die Akademie, deren Mitglied sie seit 1996 war, eine vielbeachtete Retrospektive. Im gleichen Jahr verlieh ihr die Deutsche Gesellschaft für Photographie (DGPh) den Kulturpreis als „Hochverdiente Chronistin ihrer Zeit“. 2020 schenkte Helga Paris ihr Negativarchiv der Akademie der Künste, es umfasst 6.300 Filme und fast 230.000 Negative.

Die Regisseurin und Stellvertretende Direktorin der Sektion Film- und Medienkunst Helke Misselwitz erinnert an die Freundin:
Der Amateur, der Liebhaber. Das Wort gefiel Helga Paris, die Fotografie nicht studiert hatte, sondern sich als eine Liebhaberin des Fotografierens verstand. Eine Liebhaberin des Ablichtens ihrer Familie, ihrer Nachbarschaft, ihres Viertels, später der Stadt, in der ihre Tochter studierte. Eine Liebhaberin des Ablichtens von Gesichtern in Städten und Landschaften Mittel- und Osteuropas, in die sie mit Freundinnen oder Freunden reiste. Vorbilder hatte sie keine, jedoch die Familienfotos, Amateurfotografien der Tanten aus Zossen, aufbewahrt in Schuhkartons. Zossen, nahe Wünsdorf, wo Helga aufwuchs, nach der Flucht aus Pommern. Unweit dem Hauptquartier des Oberkommandos der Wehrmacht, das die Soldaten und Offiziere der Roten Armee 1945 mit dem Sieg über Deutschland zu ihrem Hauptquartier machten. Ihre Kindheitserzählungen davon sind wundersam. Später beschreibt sie das ambivalente Verhältnis zu ihnen, den sowjetischen Soldaten, ihren Nachbarn in Wünsdorf, in poetischen Fotografie-Serien.
Am 5. Februar 2024 ist sie uns in der Winsstraße in Berlin vorausgegangen, die große Fotografin Helga Paris.“

Die Akademie trauert um ihr Mitglied.

Jeanine Meerapfel
Präsidentin der Akademie der Künste