13.4.2004

Erklärung der Abteilung Literatur der Akademie der Künste zur Autorenförderung

In einer Zeit, da die Streichwut öffentlicher Haushälter die Existenzbedingungen der deutschen Schriftsteller allerorten erschwert, gilt es mehr denn je, auf die Dringlichkeit jener unmittelbaren Autorenförderung hinzuweisen, die in den auf medienwirksame Veranstaltungen – Tagungen, Kongresse, Ausstellungen – ausgerichteten Aktivitäten von Stiftungen und andern Institutionen nur ausnahmsweise Berücksichtigung findet. Deren auf kulturelle Information und die Gewinnung kommunikativer Synergien gerichtete Wirksamkeit ist verdienstvoll und fruchtbar; ein gleicher Rang wie der Ausrichtung komplexer, organisationsintensiver Veranstaltungen kommt jedoch der direkten Förderung der künstlerisch Tätigen zu. Sie sind die Urheber jener Werke, die jede sinnvolle Kulturarbeit erst fundieren.
Das gilt für Autoren aller Lebensalter, gerade auch für die älteren, die oft unter bedrückend kärglichen Umständen, am Rande der Hilfsbedürftigkeit, leben. Die für die Linderung von Notlagen zur Verfügung stehenden Fonds beim Bundespräsidenten und den Landeskulturministerien sind in einem Maß überlaufen, das die damit befaßten Beiräte vor unlösbare Probleme stellt. Um von den literarisch qualifiziert Tätigen in Deutschland das bedrückende Phänomen der Altersarmut vorsorgend abzuwenden, gilt es, die Künstlersozialkasse zu erhalten und gezielt auszubauen. Dringlich geboten ist die Erneuerung jenes Fonds, aus dem das Autorenversorgungswerk der Verwertungsgemeinschaft Wort fast zwei Jahrzehnte lang Zuschüsse zu rentenwirksamen Lebensversicherungen gewährt hat. Daß dieses Versorgungswerk, das dazu bestimmt war, Schriftsteller anzuregen und instandzusetzen, eine private Altersversorgung anzusparen, seit 1996 keine neuen Mitglieder mehr aufnimmt, ist ein Mißstand, bei dessen Behebung Kräfte auf Bundes- und Länderebene mit der VG Wort zusammenwirken sollten.
Auch viele öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten unterwerfen sich heute einem Gleichschaltungsprozeß, der unter dem Vorwand einer abstrakten Massenwirksamkeit die Dekultivierung der Programme betreibt; die Folge davon ist, daß viele dem Rundfunk von langer Hand freischaffend verbundene Autoren ihre soziale Basis verlieren. Zur Erleichterung ihrer Situation wäre es dringlich, eine Sonderregelung auf den Weg zu bringen, die verhindert, daß die Gewährung von Sozialhilfe bei freischaffenden Autoren von der Auflösung jener privaten Rentenversicherung abhängig gemacht wird, zu der die VG Wort Beihilfen gezahlt hat. Die von den Sozialämtern geforderte Auflösung dieser Versicherungen nötigt deren Inhaber zur Rückzahlung der Beihilfen und setzt sie damit in hilfsbedürftiger Lage einer unerfüllbaren Finanzforderung aus, die gleichzeitig zur Aufhebung der angesparten Altersvorsorge führt. Dieselben föderalen Organe, die die Programm-Nivellierung der Landesrundfunkanstalten politisch verantworten, sind aufgefordert, sich über die sozialen und kulturellen Folgen dieser Maßnahmen klarzuwerden.
Die Öffnung der in den einzelnen Bundesländern als Stipendiatenherbergen geführten Literaturdomizile für ältere Kollegen, denen man die Möglichkeit geben sollte, dort nicht kostenlos, aber zu ermäßigtem Entgelt einen befristeten Arbeitsaufenthalt zu nehmen, wäre ein erwägenswertes Mittel, um Autoren bei einer Arbeit zu unterstützen, die, wie die Literaturgeschichte zeigt, im Alter oft die reifsten Resultate erbringt. Die Abteilung Literatur der Akademie der Künste erklärt ihre Bereitschaft, an der Ausarbeitung von Instrumentarien, die auf solche und andere Arbeitserleichterungen führen, ratgebend mitzuwirken; sie weist in diesem Zusammenhang besonders auf die bei der Künstlerhilfe der VG Wort gesammelten Erfahrungen hin.
Hilfs- und Fördermaßnahmen für ältere Autoren dürfen nicht zu Lasten anderer Arten unmittelbarer Literaturförderung gehen. Es hat mit den besonderen Bedingungen literarischer Arbeit zu tun, daß, was man ökonomistisch deren Wirkungsgrad nennen könnte, höher ist als auf andern Feldern der Kunst, d. h. daß hier mit relativ geringen finanziellen Mitteln ein besonders hoher Ertrag erzielt wird. Dieses Wenige aber muß der Literatur und ihren Urhebern gegeben werden; eine Versteppung unserer Kulturlandschaft wäre sonst die Folge.

Berlin, den 14. April 2004


Die Erklärung wurde unterzeichnet von:
Peter Härtling, Direktor der Abteilung Literatur
Rolf Haufs, Stellvertretender Direktor der Abteilung Literatur
Adolf Muschg, Präsident der Akademie der KünsteErklärung der Abteilung Literatur der Akademie der Künste zur Autorenförderung

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