John Heartfield. Krieg! (Niemals wieder!), 1932/1941 Silbergelatineabzug mit Pinselretusche. © The Heartfield Community of Heirs / VG Bild-Kunst, Bonn 2020. Akademie der Künste, Berlin

„Die enorme Nähe zwischen ihm und Heartfield hat mich überrascht“

Gespräch

Erdmut Wizisla, Leiter des Walter Benjamin Archivs und des Bertolt-Brecht-Archivs der Akademie der Künste im Gespräch mit Angela Lammert über die Beziehung von John Heartfield und Bertolt Brecht.


Was haben Sie entdeckt, als Sie sich mit der Zusammenarbeit zwischen Heartfield und Brecht beschäftigt haben?

Ehe ich diese Arbeit begann, wusste ich von der Zusammenarbeit nicht viel mehr, als dass Heartfield an Inszenierungen des Berliner Ensembles mitgewirkt und heute klassisch wirkende Brecht-Bücher gestaltet hat. Mit der Malik-Ausgabe, den Hundert Gedichten und der Aufbau-Ausgabe etablierten Heartfield und Herzfelde eine Marke, nicht nur weil sie die Kraft des kleinen „b“ einsetzten. Beim Sichten des Materials in der Kunstsammlung, im John-Heartfield-Archiv und im Bertolt-Brecht-Archiv frappierte mich die Fülle, Ernsthaftigkeit und Vielfalt des Überlieferten. Ich hatte keine Ahnung, dass Heartfield für eine – wie ich sagen würde – Nebenarbeit wie den Schutzumschlag von Brechts Epos Die Erziehung der Hirse etwa zwanzig verschiedene Versionen vorgelegt hat. Die Pointe dieser Arbeit ist, dass Brecht es vorzog, das Buch schließlich ohne Schutzumschlag erscheinen zu lassen. Das teilte er dem Künstler behutsam mit; es fiel ihm sichtbar schwer, Kreativität zurückzuweisen.

Es scheint, als habe die Begegnung für Sie exemplarischen Charakter?

Unbedingt. [...] Man könnte sagen, dass Heartfields Arbeit eine hohe Literarizität hat. Das hat Brecht, der wiederum auf die bildliche Kraft seiner Theaterarbeit setzte, erkannt. Er ließ sich von seinen Bühnenbauern inspirieren. Das Projekt der Akademie macht die Verschwisterung der Künste greifbar.

So ist Brecht selbst ja ein Monteur, sein Nachlass ist voller Zeitungsausschnitte, auch montierter. Erstmals wird im Katalog eine Mappe mit Zeitungsbildern von Politikern, in denen Brecht „Angewandtes Theater“ dokumentiert sehen konnte, publiziert. Sein Assistent Peter Voigt hat das in einem fantastischen Dokumentarfilm aufgeschlagen: Eine Hinterlassenschaft von 2004. Brecht beanspruchte schon eine gewisse Autorität im Umgang mit Dokumenten. Von Erwin Strittmatter wissen wir, dass er, wenn seine Schülerinnen oder Schüler eine Schere zur Hand nahmen, um ihm beim Ausschneiden behilflich zu sein, abwehrte: „Lassen Sie das. Sie können das nicht. Dazu braucht man ein jahrelanges Studium.“ Er allein war der „Meister der Klebeologie“ und darin Heartfield handwerklich und ästhetisch verwandt. Es geht um die Möglichkeit, Vorgefundenes spielerisch neu zu kombinieren, die Notwendigkeit, Formen zu finden, die einfach und verständlich, aber nie leer und erst recht nicht reduziert auf eine Botschaft sein durften – eingreifend zu handeln, heißt: mit Biss und Satire.

Es war also eine echte, produktive Zusammenarbeit. Sie beruhte wohl auf einer persönlichen Sympathie?

Brechts Freundschaften waren in der Regel Arbeitsfreundschaften. Die enorme Nähe zwischen ihm und Heartfield hat mich schon überrascht. Sie zeigte sich vielfach: im Du und den beinahe zärtlichen Anreden „Bert“ und „Johnny“, in Brechts und Helene Weigels Sorge um die Gesundheit des Freundes, in dem rückhaltlosem Einsatz für den Künstler, nicht nur in der Akademie. Den Archivar freuen auch kleine Dokumente, die man kaum Funde nennen kann: Auf der Rückseite eines Berichts über eine Tournee im Frühjahr 1951, der wohl gerade zur Hand war, notierte Brecht „19. Juni 51 / Johnny“, auf dass er den 60. Geburtstag des Freundes nicht vergäße.

 

Weitere Informationen zur Ausstellung „John Heartfield – Fotografie plus Dynamit“ und zum begleitenden Katalog John Heartfield. Fotografie plus Dynamit

 

Die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) fördert das Veranstaltungsprogramm zur Ausstellung, in dessen Rahmen dieses digitale Angebot entstanden ist.

Erdmut Wizisla, Leiter des Bertolt-Brecht-Archivs der Akademie der Künste, im Gespräch über die Beziehung von John Heartfield und Bertolt Brecht

Weitere Informationen

Auszug aus dem Katalog (PDF)