Kuratorisches Statement

Von Nikita Dhawan

Jahrhundertelang durchkämmten europäische Kolonialmächte geprägt von den Ideen der Aufklärung den Globus, stets auf der Jagd nach makellosen und unberührten Ländern und Menschen. Die Kolonien dienten Europa gleichermaßen als Projektionsflächen für seine verbotenen Sehnsüchte und Ängste wie als Laboratorien für europäische Hoffnungen und Fantasien.

Auch wenn die aus der Aufklärung hervorgegangenen Ideale von Gleichheit, Freiheit, Gerechtigkeit, Recht und Demokratie mehrfach verraten und missbraucht wurden, erweist sich der postkoloniale Wunschtraum, das grundlegende Vermächtnis der Aufklärung vor den Europäer*innen zu retten, als eine verpasste Verabredung mit der Geschichte. In Anbetracht der Probleme, die durch wirtschaftliche, soziale und politische Ungleichheiten auf der ganzen Welt hervorgerufen werden, erscheint das Wiederholen revolutionärer antikolonialistischer Slogans als Reaktion auf das tiefe Unbehagen und die heraufziehenden Krisen eher „fehl am Platze".

Neue Visionen von einer postkolonialen Zukunft können nur entstehen, wenn wir nicht länger an dem Glauben festhalten, man müsse den europäischen Kolonialismus einfach ungeschehen machen, um in einer Welt ohne Ungerechtigkeit und Unterdrückung zu leben. Dies konfrontiert uns mit dem Problem einer postkolonialen Gegenkritik: Gegen wen und was soll sich diese richten? Wie sähe die Grammatik einer solchen Kritik aus? Wie können wir die akute Lähmung des Willens und das gänzliche Fehlen von Visionen überwinden? Macht die Welt, in der wir leben, die Vorstellung von Utopien unglaubwürdig? Und wie formulieren wir angesichts dieser unmöglichen Bedingungen das Drehbuch für unsere Hoffnungen, Sehnsüchte und Imaginationen, um eine desillusionierte Gegenwart zu überstehen?

Diese Konferenz ist ein Versuch, sich ausgehend vom (Nicht-)Ort der Planetarität eine postimperiale Politik vorzustellen. Dazu müssen wir uns auf die formellose Offenheit planetarischer Utopien einlassen und nicht nur über das nachdenken, was wir uns erhoffen, wünschen und vorstellen, sondern auch darüber, wo wir bei unseren Bestrebungen, dies zu tun, an Grenzen stoßen. Denn genau darin besteht die Aufgabe von Utopien: das Unvorstellbare vorstellbar zu machen, Hoffnung angesichts von Hoffnungslosigkeit zu wecken und Nostalgie für etwas zu entwickeln, das noch sein wird, für das Noch-Nicht.