4.7.2019
„Was der Körper erinnert. Zur Aktualität des Tanzerbes“
Vorverkaufsstart und Programm der Veranstaltungsreihe
24. August bis 21. September 2019, Akademie der Künste, Hanseatenweg
Die einmonatige Veranstaltungsreihe der Akademie der Künste umfasst eine Ausstellung zur Tanzgeschichte des 20. Jahrhunderts mit Archivalien, ikonischen Fotografien und Filmausschnitten sowie Aufführungen von mehr als zwanzig aktuellen Tanzproduktionen, die das Erbe der Tanzmoderne zeitgenössisch fortschreiben. Der Vorverkauf startet ab sofort. Tickets können online, an den Empfängen der beiden Akademie-Standorte sowie an den bekannten Vorverkaufsstellen erworben werden.
Die zeitgenössische Tanzkunst schöpft aus einer reichen und kraftvollen Geschichte, deren Protagonistinnen und Protagonisten wie Isadora Duncan, Mary Wigman oder Valeska Gert für Emanzipation, die Befreiung aus Geschlechterrollen und Körperbildern, utopische Aufbrüche und politische Vereinnahmung, aber auch für gesellschaftlichen Widerstand stehen. Zusammen mit der Nachkriegsmoderne, mit dem Tanztheater in Deutschland, dem Butoh in Japan, dem Modern und Postmodern Dance in den USA oder dem zeitgenössischen Tanz in Frankreich und Belgien bilden sie das „Jahrhundert des Tanzes“, dem die Akademie der Künste eine Ausstellung, ein Festival, einen internationalen Campus für Tanz-Studierende und Alumni und ein Buch widmet. Die Aktualität des Tanzerbes gewinnt weltweit an Dynamik und Sichtbarkeit, in Deutschland vor allem durch die Aktivitäten von TANZFONDS ERBE in den letzten acht Jahren. Mit „Was der Körper erinnert“ wird das Erbe des Ausdruckstanzes, aber auch das von Merce Cunningham oder Tatsumi Hijikata bis hin zu Stücken von Anne Teresa De Keersmaeker und Xavier Le Roy als Beispiele für Gegenwartskunst aufgeführt.
„Das Jahrhundert des Tanzes“
Erstmals zeigen die Tanzarchive aus Köln, Leipzig und Berlin einzigartige Herzstücke aus ihren Sammlungen in einer gemeinsamen Ausstellung. Die Hexentanz-Maske von Mary Wigman, die von Valeska Gert selbst gefalteten und bearbeiteten Porträtfotografien, die Zugangskarten von Gret Palucca zu den Olympischen Spielen 1936, die Schminkanweisungen Oskar Schlemmers zum Triadischen Ballett, die Werk- und Regiebücher von Dore Hoyer und Johann Kresnik oder die Notationen zu Der Grüne Tisch von Kurt Jooss zeigen, wie der Tanz in den Archiven bewahrt und für die Zukunft als unschätzbare Quelle erhalten wird. Die Geschichte von Widerstand und Engagement wird am Beispiel der Masken von Jean Weidt erzählt, die Spur des Maskenbildners Erich Goldstaub verliert sich in Auschwitz. Ausgewählte Dokumente der deutschen Tanzmoderne werden in den Kontext einer weltweiten, internationalen Tanzszene gestellt, die durch Projektionen von hundert ikonischen Fotografien und Filmausschnitten als dynamisches Kraftfeld aus Körperbildern und Bewegungserfindungen in einen Dialog mit den originalen Objekten tritt.
Programm (Auswahl)
Das komplette Programm ist ab heute online unter: www.adk.de/tanzerbe
Anne Teresa De Keersmaeker hat 2018 ihre legendäre Produktion Fase, Four Movements to the Music of Steve Reich an zwei junge Tänzerinnen weitergegeben und damit exemplarisch Fragen des Tanzerbes thematisiert.
Xavier Le Roy lässt in der historischen Halle des Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin Ausschnitte seiner Arbeit von zwölf Darstellerinnen und Darstellern interpretieren.
Ausgehend von historischen Schwarz-Weiß-Fotografien von Isadora Duncan untersucht Mirjam Sögner mit Dancer of the Future das queere Potenzial im Spannungsfeld antiquierter Bewegungsformen und zeitgenössischer Körper.
Das Symposium RE-Perspective, Deborah Hay setzt den Schlusspunkt der Tanz im August-Retrospektive Deborah Hays, im Gespräch mit Gabriele Brandstetter blickt sie noch einmal auf ihre Werkschau zurück.
Die 1962 uraufgeführte Solo-Choreografie Afectos Humanos der Ausnahmetänzerin Dore Hoyer gehört zu den Meisterwerken des 20. Jahrhunderts. Drei neue Aneignungen von Pol Pi, Nils Freyer und Renate Graziadei sind erstmals in einer Programmfolge zu sehen.
Eszter Salamon und Boglàrka Börcsök überdenken die Vorstellungen der Avantgardekünstlerin Valeska Gert in einem imaginären Museum, dessen Sammlung aus performativen Akten besteht.
Im Jahr 2015 übertrug die US-amerikanische Tänzerin und Choreografin Lucinda Childs drei ihrer legendären Soli aus den 1960er Jahren an ihre Nichte Ruth Childs, die nach dieser ersten Zusammenarbeit nun eine weitere Serie von Performances aus den 1970er Jahren vorstellt.
Die in den 1920er Jahren von Mary Wigman inszenierten Totentänze zur Musik Danse Macabre von Camille Saint-Saëns und Will Goetze bringt Henrietta Horn mit der Dance Company Theater Osnabrück auf der Grundlage von Zeichnungen Ernst Ludwig Kirchners und Einträgen aus Wigmans Tagebüchern zur Wiederaufführung. Auch Fabián Barba bezieht sich auf Wigman und rekonstruiert einen Tanzabend, wie er in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts hätte stattfinden können.
Zwei Giraffen tanzen Tango von Gerhard Bohner, uraufgeführt 1980 in der Akademie der Künste am Hanseatenweg, kann auch als ein zeitgenössischer Danse Macabre gelesen werden. Die mit dem Prager Kammerballett 1990 im Hebbel-Theater uraufgeführte Choreografie Bohners Angst und Geometrie thematisiert die Möglichkeit, rituelle und zeitgenössische Formensprachen zusammenzuführen.
In ihrem intensiven, kraftvollen Duett À bras-le-corps aus dem Jahr 1993 lassen Boris Charmatz und Dimitri Chamblas die klassische Tanzsprache hinter sich und folgen ihrem eigenen Weg des zeitgenössischen Tanzes.
Chandralekha galt als die Grande Dame des modernen indischen Tanzes und war zugleich auch seine kontroverseste Choreografin. Padmini Chettur, zeitgenössische Tänzerin und Choreografin, verfolgt in Philosophical Enactment I die Ursprünge ihres künstlerischen Ansatzes zurück zu Chandralekha.
Mit der Reihe Bloodlines würdigt Stephen Petronio schließlich postmoderne amerikanische Choreografen, die ihn während seiner Karriere als Tanzschaffender inspiriert haben und zeigt Werke von Künstlerinnen und Künstlern wie Merce Cunningham, Steve Paxton und Yvonne Rainer.
Darüber hinaus sind u.a. Choreografien von Nacera Belaza und Dominique Bagouet zu sehen. Christoph Winkler würdigt Ernest Berk. Martin Stiefermann und Brit Rodemund rekonstruieren herausragende Soli von Anita Berber, Takao Kawaguchi performt das Duett The Sick Dancer nach Texten von Butoh-Gründer Tatsumi Hijikata.
Weitere Diskurse, Buchvorstellungen und Vorträge u.a. mit Aleida und Jan Assmann, Irene Sieben, Scott deLahunta, Ong Keng Sen, Susan Manning sowie eine Filmvorführung von und mit Volker Schlöndorffs Nur zum Spaß – nur zum Spiel. Kaleidoskop Valeska Gert komplettieren das Festivalprogramm.
Das Gesamtprojekt wird kuratiert von Johannes Odenthal, Nele Hertling, Heike Albrecht, Madeline Ritter, Gabriele Brandstetter und Ong Keng Sen.
Eine Veranstaltungsreihe der Akademie der Künste, Berlin. In Kooperation mit DIEHL+RITTER und der Kulturstiftung des Bundes. Gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb und dem Institut Français. In Zusammenarbeit mit Tanz im August und dem Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin. Der Campus wird gefördert im Rahmen des Europäischen Kulturerbejahres.
Veranstaltungsdaten
Was der Körper erinnert. Zur Aktualität des Tanzerbes
Ausstellung, Aufführungen, Diskurse
Ausstellungseröffnung „Das Jahrhundert des Tanzes“: Samstag, 24.8., 18 Uhr
25. August bis 21. September 2019, täglich 15 – 22 Uhr, € 8/5
Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin
Tickets: Tel. 030 20057-2000, ticket@adk.de, www.adk.de/tickets
www.adk.de/tanzerbe
Pressekontakt im Auftrag der Akademie der Künste: ARTEFAKT Kulturkonzepte, Damaris Schmitz und Stefan Hirtz, Tel. 030 440 10 686, mail@artefakt-berlin.de
Pressebilder online unter: www.adk.de/de/presse