Walter Benjamin. Archives

Ausstellung im Musée d’art et d’histoire du Judaïsme, Paris, 12. Oktober 2011 – 5. Februar 2012

Walter Benjamin (1892–1940), der Philosoph, Schriftsteller und Kritiker, war ein großer Mittler zwischen der deutschen und der französischen Kultur. Er brachte dem deutschen Publikum die Literatur, Kunst, Geschichte und Lebensart des Nachbarlandes näher. Der Fluchtpunkt seiner Untersuchungen zur Geschichte der Kultur ist Paris, die „Hauptstadt des 19. Jahrhunderts“.

Benjamins Werk ist ein kühner Entwurf der Geschichte, der Kunst und des Denkens. Es sperrt sich gegen jede Klassifizierung. Diese Ausstellung begreift Benjamin als einen Sammler und seine Arbeit als ein Archiv, das sich aus zahllosen Archiven zusammensetzt. Diese Archive versammeln Bilder, Texte und Zeichen, die man sehen und begreifen kann, aber auch Erfahrungen, Ideen und Hoffnungen, die der Autor protokolliert und analysiert hat.

Mit dem Ethos eines Archivars hat Benjamin den Grund für die Rettung seiner Hinterlassenschaft gelegt. Archivarische Techniken prägten den Schreibprozeß, Benjamin übte sie mit Leidenschaft aus: Systematisieren, Reproduzieren, Siglieren, Exzerpieren und Übertragen. 

Gisèle Freund an Walter Benjamin, 13. Dezember 1938, © Estate Gisèle Freund / IMEC / Fonds MCC

Dreizehn Archive werden besichtigt: Manuskripte mit ausgefeiltem Layout; Schemata und Farbsignets zur Organisation des Wissens; Photographien einer hochherrschaftlich möblierten Wohnung, von Passagen und russischen Spielsachen; Bildpostkarten aus der Toskana und von den Balearen; sorgsam und eigenwillig geführte Register, Karteien und Verzeichnisse; Notizbücher, in denen jeder Quadratzentimeter genutzt wird; eine Sammlung früher Worte und Sätze des Sohnes; Rätsel und geheimnisvolle Sibyllen. Alles ist auf eine subtile Weise miteinander vernetzt.

Walter Benjamins Archive sind höchst komplex und sehr persönlich, zuweilen irrational und abseitig, und sie führen doch in die Mitte seines Werkes. Sie zeichnen ein Porträt des Autors aus seinem Archiv.

Neben die Archive tritt ein biographischer Teil: Benjamin in Paris. In einem selbstverfassten Curriculum Vitae zeichnet der Autor auch seine Beziehung zu Paris nach. Anlagen verzeichnen Benjamins Übersetzungen, Arbeiten über französische Themen, seine Pariser Aufenthalte und Unterstützer und Förderer in Paris. Der biographische Teil stellt ferner neun Personen aus Benjamins nächstem Umfeld anhand von Originaldokumenten aus dem Nachlass vor: die Schwester Dora, Freundinnen und Helferinnen wie Gretel Adorno, Gisèle Freund, Adrienne Monnier oder Hannah Arendt, Freunde wie Gershom Scholem, Theodor W. Adorno und Bertolt Brecht, Kollegen wie Max Horkheimer. Der Akzent liegt auf den Jahren 1939 und 1940; exemplarische Zeugnisse thematisieren Gesten der Freundschaft und Akte praktischer Solidarität, Benjamins prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen, seine Internierungen und die schließlich gescheiterte Flucht.

Walter Benjamin, Schema zur Anthropologie

Die Ausstellung ist eine erweiterte Fassung der Ausstellung „Walter Benjamins Archive“, die 2006 in der Akademie der Künste gezeigt wurde.

Informationen zum Walter Benjamin Archiv

Zur Ausstellung gibt es ein umfangreiches Beiprogramm mit Kolloquien, Workshops, Lesungen und einer Reihe vom Filmen, die Benjamin gesehen hat: www.mahj.org

Der Katalog erscheint im Verlag Klincksieck, Paris

Parallel zur Benjamin-Ausstellung zeigt die Fondation Pierre Bergé / Yves Saint Laurent die Ausstellung „Gisèle Freund: L'Œil frontière. Paris 1933-1940“

Zur Ausstellung: Walter Benjamin à Paris – eine Ausstellung im Jüdischen Museum

Eröffnung der Ausstellung: Text - Fotos

Petit journal -Walter Benjamin (pdf)

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(Stand 15.09.2011)




Farbsignet zur Übertragung Passagen / Baudelaire
Farbsignet zur Übertragung Passagen / Baudelaire
© Walter Benjamin Archiv