8.8.2008

Johann-Kresnik-Archiv an die Akademie der Künste

Johann Kresnik hat der Akademie der Künste sein künstlerisches Archiv übergeben. Es umfasst 40 Jahre Tanzgeschichte. In über 90 Choreographien bewies Johann Kresnik, dass Tanz sehr wohl politisch sein kann. Sein Archiv ist ein gewichtiger Zuwachs für die Archivabteilung Darstellende Kunst, die u. a. die Archive von Mary Wigman, Gret Palucca, Valeska Gert, Gerhard Bohner, Tatjana Gsovsky und Maya Plisetskaya betreut.

Das Johann-Kresnik-Archiv ist in seiner Materialfülle und -vielfalt ungewöhnlich: Neben zahlreichen Fotos namhafter Fotografen und unterschiedlichen Fassungen zu einzelnen Libretti fällt die große Zahl von Skizzen ins Gewicht, die meisterhaft die Kernsituationen der jeweiligen Inszenierung darstellen. Johann Kresnik entwirft so ausdrucksstark und bildmächtig seine oft umstrittenen Choreographien. Als ein Glücksfall besonderer Art erweist sich die Überlieferung zahlreicher Videoaufnahmen von Proben und Aufführungen.

1939 in St. Margarethen in Kärnten geboren, kommt Kresnik als Statist an den Vereinigten Bühnen Graz mit dem Theater in Berührung und beginnt eine Tanzausbildung. Als Tänzer am Kölner Theater hat er Gelegenheit, mit den ersten Choreographen seiner Zeit, z. B. George Balanchine, zu arbeiten. In Köln entsteht auch seine erste Choreographie O Sela Pei (1967) nach Gedichten von Schizophrenie-Kranken. Der Talente-Finder Kurt Hübner engagiert ihn daraufhin als Ballettdirektor nach Bremen, wo Kresnik elf Jahre, von 1968–1979, bleibt. Weitere Stationen sind Heidelberg (1979–1989), wieder Bremen (1989–1994), die Berliner Volksbühne (1994–2002) und Bonn (2003–2008). Von Anfang an nennt Kresnik sein Theater „Choreographisches Theater“. Bei ihm „spricht“ die Bewegung – oft ganz direkt und brutal. Kresniks Choreographien thematisieren häufig Biographien, u. a. Friedrich Nietzsche, Ernst Jünger und Gustaf Gründgens, Leni Riefenstahl, Ulrike Meinhof und Gudrun Ensslin und öffnen Einblicke in die Abgründe der deutschen Geschichte und des menschlichen Handelns. Aber auch Künstlerpersönlichkeiten wie Frida Kahlo, Silvia Plath, Picasso oder Francis Bacon reizen Johann Kresnik, sie auf seine unverwechselbare Weise auf der Bühne zu untersuchen.

Johann Kresnik arbeitet auch als Sprechtheaterregisseur und inszeniert Operetten und Opern.
Zur Zeit bereitet er für Salzburg „Maestro“ vor, ein Karajan-Stück von Christoph Klimke (Premiere im November).

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