15.4.2013, 15 Uhr

3 QUESTIONS TO …

Julian Busch (Stipendiat Sektion Baukunst)

Julian Busch: Berlin Unseen, 2013
Topographisches Instrument; Entwurf einer Drehbühne am Zeltenplatz
Julian Busch zeigt in der Ausstellung seinen Beitrag zur KULTUR:STADT „Berlin Unseen“ – ein topographisches Instrument und Entwurf einer Drehbühne am Zeltenplatz.

Frage 1: Welche Räume braucht Kultur heute?

Der Tatsache, dass Kultur heute überall passieren kann, sind wir uns bewusst! In jedem Viertel einer Stadt, an jeder Ecke, gerade dort wo man Kultur am wenigsten erwartet, überrascht sie uns.
Dieser Überraschungsmoment ist sicherlich wichtig und spannend für den Diskurs über das Kulturangebot in unserer Gesellschaft. Wichtig ist hierbei jedoch, dass kein Überangebot entsteht und wir gelangweilt sind, weil um uns herum nichts anderes mehr passiert als Kultur! Es muss also eine gewisse Infastrutktur geben. Festgelegte Orte, Häuser, einen Terminkalender...
Für die Qualität der Kultur ist dies unabdingbar, nur so können beide Seiten, die Kulturschaffenden und die Kulturkonsumenten die Dosis bestimmen und einer angemessenen Auseinandersetzung mit der Kultur gerecht werden.

Frage 2: Befreien oder knebeln Bauten jene kulturellen Aktivitäten, die sie überhaupt erst zum Leben erweckten?

Diese Frage möchte ich mit einem Gebäude beantworten: die Casa da Musica in Porto von O.M.A.
Dieses Bauwerk ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie man auf eine Bauaufgabe reagieren kann und weit mehr Nutzer aktiviert als für die ursprünglich geplante kulturelle Identität vorgesehen.
Die Landschaft um das Gebäude herum wird sogar besser und stetiger genutzt (vornehmlich durch Skater) als das Gebäude an sich.

 
Frage 3: Welchen (Stellen-)Wert hat Kultur heute noch in unserer Gesellschaft?

Ich möchte bei dieser Frage auf zwei Trends hinweisen, die zur Zeit in der Baukultur zu beobachten sind. Zum einen gibt es, wie man in dieser Ausstellung wunderbar sieht, weltweit ein wachsendes Interesse von Städten und Gemeinden sich mit außergewöhnlichen, aufwändigen und spektakulären Bauwerken zu schmücken. Wie man mit diesem 'Bilbao Effekt' im Zukunft im Detail umgehen sollte und ob ausschließliche ein Dutzend so genannter Stararchitekten für diese Bauaufgaben eingekauft werden sollten, steht auf einem anderen Blatt. Aber zunächst einmal wird das Architekturbewusstsein der Menschen geschärft und ein allgemeines Interesse an Baukultur entsteht.
Zum anderen scheint sich eine Haltung zu entwickeln, die vom Gegenteil zeugt. Man muss sich hierfür nur die gegenwärtige Situation in der unmittelbaren Umgebung des Berliner Hauptbahnhofs anschauen. Über die stadträumliche Erscheinung und die architektonische Qualität einiger Bauwerke, die an diesem prominenten Ort der Hauptstadt kürzlich fertig gestellt wurden oder auch noch in Planung sind, hat sich anscheinend niemand Gedanken gemacht. Derartige Fehlplanungen zeugen vom rücksichtslosen Umgang mit unserer gebauten und zu bauenden Umgebung, also auch davon dass Baukultur noch nicht den Stellenwert in unserer Gesellschaft hat, den uns die Bausummen aktueller Prestigeprojekte vermitteln.



In seinem Projekt „Berlin Unseen“ erkundet Julian Busch verborgene Orte in Berlin, spürt deren räumliche Qualitäten auf und spekuliert über mögliche Nutzungen. In Zeichnungen, Collagen und Modellen untersucht er die Eigenschaften dieser Orte, die sich im Laufe der Zeit stark verändert haben oder räumlich nicht mehr zugänglich sind. Einer dieser Orte ist der ‚Zeltenplatz’ im großen Tiergarten, ein Ort der durch historisch bedeutende kulturelle und politische Ereignisse geprägt wurde und beispielhaft für die Berliner Lebensfreude ist. Für die Wiederbelebung des halbkreisförmigen Zeltenplatzes und dessen näherer Umgebung schlägt Julian Busch die Errichtung eine Drehbühne vor, einem Transformationskörper, der mit kulturellen Veranstaltungen bespielt werden soll. Diese Bühne ist als multifunktionale Architektur entwickelt und kann in ihrer Gestalt und Ausrichtung so verändert werden, dass kulturelle Ereignisse und die Historie des Ortes gleichzeitig thematisiert werden.

Mehr zu seinen Arbeiten und Projekten gibt es hier.