21.10.2021, 10 Uhr

Arbeit am Gedächtnis – Transforming Archives

Künstlerische Positionen der JUNGEN AKADEMIE von Cemile Sahin, Eduardo Molinari und Susann Maria Hempel

Cemile Sahin, Bad People, Bad News (2021), Installationview

Wie und woran sich eine Gesellschaft erinnert, ist zur Schlüsselfrage geworden in einer Zeit, in der Selbstverständnisse neu verhandelt und Ein- und Ausschlussmechanismen infrage gestellt werden. Die Auseinandersetzung mit Erinnerung und Gedächtnisspeichern ist zentraler Gegenstand aktueller künstlerischer Praxis: Künstler*innen befragen Archive, überdenken Auswahlprozesse, tasten Lücken im Depot ab und erstellen eigene Archive gegen das Vergessen. Inmitten der aktuellen Dynamik von digitalem Wandel, rechten und nationalistischen Erzählungen, postkolonialen Debatten um historische Verantwortung sowie dem Ringen um Nachhaltigkeit und Diversität gilt es, tradierte Wissens- und Erinnerungsräume zu verteidigen und zugleich neu zu bewerten.

Im Rahmen des Programms „Arbeit am Gedächtnis – Transforming Archives“ verhandelten Mitglieder der Akademie der Künste sowie die drei Stipendiat*innen der JUNGEN AKADEMIE – Cemile Sahin, Eduardo Molinari und Susann Maria Hempel – in einer Ausstellung und Gesprächsformaten ihre künstlerischen Positionen zum Thema.

 

Ausstellungsbeiträge

Cemile Sahin (*1990, Wiesbaden) ist Berlin-Stipendiatin 2019 der Bildenden Kunst.

Sahin hat Bildende Kunst am Central Saint Martins College of Art and Design in London und an der Universität der Künste Berlin in der Klasse von Mark Lammert studiert. Ihre Arbeiten bewegen sich zwischen Film, Fotografie, Skulptur, Sound und Text. Sie beschäftigt sich mit der Frage, wie und wo Geschichte entsteht und wie diese dargestellt wird. Ausgangspunkte sind gefundene Bilder, Archivmaterialien und Texte, die Sahin in ihren Arbeiten neu inszeniert. Dadurch geht sie der Frage nach, wie sich Geschichte und ihre Erzählung verändert, wenn sie über die Narrative verschiedener Perspektiven konstruiert wird.

Für die Ausstellung konzipierte sie die essayistischen Filminstallation Bad People, Bad News (2021, 40 min). Mehr Informationen aus dem Magazin zur Ausstellung: PDF.

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Eduardo Molinari (*1961, Buenos Aires) ist Berlin-Stipendiat 2007 der Film- und Medienkunst.

Molinari ist Bildender Künstler, Dozent und Wissen­schaftler an der Abteilung für Bildende Künste der Universidad Nacional de las Artes (UNA), Buenos Aires. Das Wandern als ästhetische Praxis, die Forschung mit künstlerischen Mitteln und Metho­den sowie transdisziplinäre Kollaborationen bilden den Kern seiner Arbeit. 2001 gründete er „Walking Archive“, ein fort­laufendes visuelles Archiv, das die Beziehungen zwischen Kunst, Geschichte und Territorium untersucht. Seit 2010 ist Molinari gemeinsam mit Azul Blaseotto Teil des experimentell-aktivistischen künstleri­schen Forschungskollektivs „La Dár­sena“.

Für „Arbeit am Gedächtnis“ zeigte Molinari die multimediale Installation Beweismittel (2021). Mehr Informationen aus dem Magazin zur Ausstellung: PDF.

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Susann Maria Hempel (*1983, Greiz) ist Berlin-Stipendiatin 2018 der Film- und Medienkunst.

Hempel, Filmemacherin und Hörspielautorin, lebt und arbeitet in Greiz (Thüringen). Ihr Experimentalfilm Sieben Mal am Tag beklagen wir unser Los und nachts stehen wir auf, um nicht zu träumen erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Preis für den besten Bei­trag zum deutschen Wettbewerb der Internationalen Kurzfilmtage Ober­hausen und den Deutschen Kurzfilm­preis für Experimentalfilm 2014. 2015/16 war Hempel Stipendiatin an der Akademie Schloss Solitude. 2019 erhielt sie den Hörspielpreis der Kriegsblinden sowie den HAP-Grieshaber-Preis der Stiftung Kunst­fonds und der VG Bild-Kunst. 2021 Kunstpreis Berlin der Akademie der Künste, Berlin, in der Sektion Film- und Medienkunst.

Hempel zeigte ihren Film „Wie das Meer nach Hause kam" (Arbeitstitel, 2021, 13 min). Mehr Informationen aus dem Magazin zur Ausstellung: PDF.

 

Veranstaltungen

05.06.2021
From Memory to Political Imagination
Gespräch mit Eduardo Molinari und Alice Creischer

Inmitten der aktuellen Situation einer globalen Pandemie und ihren auferlegten Beschränkungen suchen wir nach gemeinsamen Fragen, die zu gemeinsamen Antworten führen: Wie kommen wir von der Gedächtnisarbeit zur politischen Vorstellungskraft und von der Vorstellung zum politischen Handeln? Wie werden die Grenzen verwischt, die der postmoderne Faschismus der Vorstellungskraft setzt? Wie wird aus Wissen ethische Verbindlichkeit und welche Form von künstlerischer Forschung wird dafür gebraucht? Der in Buenos Aires lebende Künstler Eduardo Molinari setzt sein „Wanderndes Archiv“ ein, um die Kontinuitäten des kolonialen Genozids und Ökozids zu untersuchen. Mit der Künstlerin und Kuratorin Alice Creischer hat er für das Projekt „Das Potosí Prinzip“ zusammengearbeitet, das die Mechanismen der globalen Ausbeutung von Menschen und Natur in Lateinamerika befragt. Zusammen sprechen sie über Erzählungen und Vorstellungen, die interkulturellen Perspektiven und neuen Beziehungen mit nicht-menschlichen Akteuren Rechnung tragen können.

Mehr Informationen und Live-Aufzeichnung hier.

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06.07.2021
Kunst der Freiheit im kurdischen Exil
Gespräch mit Cemile Sahin und Ersin Çelik

Anlässlich ihrer neuen Filminstallation Bad People, Bad News sprach die Künstlerin Cemile Sahin mit dem kurdischen Filmemacher und Mitglied der Rojava Film Commune Ersin Çelik über künstlerische Mittel und Strategien im Exil. Welche politische Bedeutung erhält Kunst inmitten von Zensuren autokratischer Staaten und was kann sie der Propaganda von Diktaturen und ihrer medialen Inszenierung entgegensetzen? Welche Bedeutung erhält sie als Gegenerinnerung und -erzählung für Gemeinschaften, die staatenlos sind und keine Deutungshoheit über ihre Geschichte haben?

Mehr Informationen hier.