20.4.2018, 09 Uhr

Erzählpartnerschaft „Our Stories – Rewrite the Future" #8: Sabine Peters

In dem Akademie-Projekt „Our Stories – Rewrite the Future" haben sich Jugendliche und junge Erwachsene, die auf ihrer Flucht nach Deutschland gekommen sind, mit deutschsprachigen Autorinnen und Autoren zu Erzähltandems zusammengeschlossen. Die literarischen Erzählungen, die aus diesen intensiven, über ein Jahr dauernden Begegnungen entstanden sind, werden am Mittwoch, 25. April 2018, von den Beteiligten zum ersten Mal in Lesungen und Gesprächen vorgestellt.

Nach Ralph Hammerthaler, Kerstin Hensel, Larissa Boehning, Hammoud Hamoud, Senthuran Varatharajah, Katerina Poladjan und Shida Bazyar berichtet heute die Schriftstellerin Sabine Peters, was die Erzählpartnerschaft für sie bedeutet:

Die Einladung, am Projekt „Erzählpartnerschaften" teilzunehmen, hat mich gefreut. Sie hat auch Zweifel wachgerufen. Denn das, was vor über 30 Jahren noch selbstverständlich als Aufgabe von Schriftstellern galt, ihre Fähigkeit zur Empathie, zum Sich-Hineinversetzen in andere, das ist längst verdächtig geworden. Haben die Verletzten, Verfolgten, Entrechteten dieser Welt vielleicht keine eigene Stimme? Woher die Anmaßung, in ihrem Namen zu sprechen? Und: Kann ein hiesiger, vergleichsweise privilegierter Mensch überhaupt verstehen, was Krieg, Verfolgung, Flucht und Fremde bedeuten?

Meine beiden Erzählpartner aber haben verstanden, dass ich auf sie angewiesen war. Sie haben verstanden, dass sie mir helfen können bei einem Arbeitsprojekt, dessen Ausgang keiner von uns dreien kannte. 

Sie waren beide bereit, auf ahnungslose, neugierige, vielleicht indiskrete Fragen in einer ihnen fast fremden Sprache zu antworten.

Was heißt „antworten"? Menschliche Begegnungen sind bestenfalls viel mehr als ein bloßes Schema aus Frage und Antwort.

Meine Arbeit zielt nicht ab aufs bloße Nach- und Niederschreiben dessen, was wir das Wirkliche nennen. Schreiben bewegt sich in der Wirklichkeit und gegen sie. Schreiben ist eine Zuwendung zur Welt, doch auch eine Verwandlungsarbeit. Unversehens nimmt ein Text sein Eigenleben an. Auf, auf!

 

Sabine Peters, geboren 1961 in Neuwied, studierte (nach einem Freiwilligen Sozialen Jahr in Tübingen) in Hamburg Literaturwissenschaft, Politologie und Philosophie. Seit 1987 schreibt sie Erzählungen, Romane und Hörspiele. Nebenher arbeitet sie als Literaturkritikerin, u.a. für den Deutschlandfunk und die Wochenzeitung Der Freitag. Sie lebte viele Jahre lang im ostfriesischen Rheiderland, bevor sie 2004 wieder nach Hamburg zog. Dort unterrichtet sie regelmäßig an der Volkshochschule Kreatives Schreiben. Sie bekam diverse Stipendien und Preise, darunter ein Aufenthaltsstipendium in Beer Sheva/Israel (2004) und den Italo-Svevo-Preis (2016).

Veröffentlichungen:
Der Stachel am Kopf. Prosa, Rowohlt 1990
Schreien, Sprechen. Prosa, Edition Solitude, 1996
Nimmersatt. Erzählungen, Wallstein, 2000
Abschied. Erzählung, Wallstein 2003
Singsand. Zwischen Beer Sheva und Betlehem. Roman, Wallstein 2006
Feuerfreund. Roman, Wallstein 2010
Narrengarten. Prosa, Wallstein 2013
Alles Verwandte. Roman, Wallstein 2017

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