Regine Lutz im Archiv

Regine Lutz in der Akademie der Künste, 2011, Foto: Schirmbeck

Regine Lutz in der Akademie der Künste, 15.11.2011
Foto: Schirmbeck

Regine Lutz hat ihr Archiv der Akademie der Künste übergeben. Die aus Basel stammende Schauspielerin debütierte 1947 als Achtzehnjährige am Zürcher Schauspielhaus, wo sie Brecht kennenlernte. 1949 folgte sie seiner Einladung an das Berliner Ensemble und avancierte schon bald zum Jungstar des Theaters. Seit den 1960er Jahren spielte Regine Lutz an vielen deutschsprachigen Bühnen sowie in Film und Fernsehen. Zu ihren wichtigsten Rollen zählen Gustchen in „Der Hofmeister“ (1950), Yvette in „Mutter Courage und ihre Kinder“ (1951), Lieschen Puderbach in „Die Wupper“ (1966), Alice in „Play Strindberg“ (1969), Claire Zachanassian in „Der Besuch der alten Dame“ (1976) und Maude in „Harold und Maude“ (2005/2007). 1993 erschien im Verlag Langen-Müller ihr Buch „Schauspieler – der schönste Beruf“. Regine Lutz lebt in München.

Das Regine-Lutz-Archiv wird von der Archivabteilung Darstellende Kunst betreut. Es enthält Aufführungsfotos, Kritiken, Verträge, Korrespondenzen, selbst verfasste Manuskripte sowie Unterlagen zu ihrer Tätigkeit als Schauspiellehrerin, u. a. an der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München. Der bedeutendste Teil des Archivs sind mehr als eintausend Briefe, die Regine Lutz zwischen 1942 und 1968 mit ihren Eltern in Basel wechselte. Die Briefe aus Berlin vermitteln anschaulich die Arbeitssituation und Lebensumstände des frühen Berliner Ensembles. Regine Lutz erstattet Bericht über Proben und Premieren, über Mahlzeiten mit Brecht und Weigel, die erste Wohnung, über die Ängste der jungen Frau in der zerbombten Hauptstadt.

Das Regine-Lutz-Archiv erweitert auch den Brecht-Schwerpunkt in der Akademie, zu dem mehr als zwanzig Archive gehören, darunter die von Brecht selbst, Helene Weigel, Elisabeth Hauptmann, Ruth Berlau, Isot Kilian, Herbert Ihering, Hanns Eisler, Paul Dessau, Teo Otto, Karl von Appen, Hans-Dieter Hosalla, Ernst Busch, Erwin Geschonneck, Wolf Kaiser, Ekkehard Schall, Benno Besson, Egon Monk, Manfred Wekwerth, Peter Palitzsch, Vera Tenschert, Hainer Hill, Hans Bunge und Ernst Schumacher.
Anlässlich der Archivübernahme fand am 15. November 2011 eine Veranstaltung in der Akademie der Künste statt. Der Theaterhistoriker Klaus Völker sprach über Regine Lutz, die Schauspielerin Iris Boss las aus den Briefen an die Eltern. Anschließend befragte Holger Teschke Regine Lutz über ihre Theaterzeit. Exklusiv an diesem Abend wurden Fotos, Ausschnitte aus Theateraufführungen und Originale aus dem Archiv gezeigt.


Aus der Einführung von Klaus Völker:
Eine große Überraschung war 1993 ihr Buch „Schauspieler – der schönste Beruf“, in zögernder Verehrung ihrem Lehrer Brecht gewidmet. Regine Lutz hat keine Memoiren geschrieben, sondern ein wunderbares Buch für angehende Schauspieler. Es ist keine Brecht-Bibel, sondern enthält höchst lehrreiche, ganz undogmatische Aufzeichnungen und Lehranweisungen, die verschiedene Einblicke in Theaterarbeit geben, ergänzt um praktische Erfahrungen im abschließenden Kapitel „Meine Wege“. Ihre Wege waren das von mir geschilderte unbedarfte Stolpern in den Beruf, das große Glück der Begegnung mit Brecht, ihr Aufstieg zum „Star“ des Berliner Ensembles, ihre Brecht-Krise, ihre stolzen neuen Erfolge, ihre manchmal auch schlimmen künstlerischen Abstürze. Ihr Buch war ein Neubeginn, ihm folgte die Tätigkeit als Pädagogin, gepaart mit schönen Rollen auf der Bühne und im Fernsehen. […]

Bis 2010 hat Regine Lutz als Gast an allen Theatertreffen Deutschsprachiger Schauspielstudierender teilgenommen und auch einen Regine-Lutz-Preis gestiftet, den die teilnehmenden Studenten selbst für die ihrer Meinung nach beste Ensembleleistung vergeben sollen. […] „Den Studenten in Stuttgart“, schrieb Regine Lutz begeistert, „ging es einzig um die Sache, um die Hinterfragung ihrer vorgezeigten Arbeiten. Ihre Uneitelkeit, ihr Engagement für das Theater ihrer Zukunft beschämten mich – hätte sich doch meine Generation da ganz anders verhalten. Angst und Misstrauen vor der zu erwartenden beruflichen Konkurrenz hätten uns engherzig daran gehindert, den fremden Kollegen so arglos unsere Karten aufzudecken. Wir kämpften immer jeder für sich, niemals einer für alle. Wenn diese Schauspieler von morgen es fertig brächten, nur ein bisschen von ihrem beim Treffen gezeigten Füreinander-da-sein, ihrem Miteinander-Arbeiten, in ihre zukünftige Theaterarbeit einzubringen, dann könnten vielleicht wieder einmal richtungsweisende echte Ensembleleistungen entstehen. Hoffen wir, dass die heute noch Lernenden später so bleiben, wie sie sich in den Gesprächsrunden verhalten haben, dass sie ihre Zivilcourage nie verlieren und immer so sicher zu ihrer Sache stehen mögen.“