16.12.2022, 16 Uhr

„Die Welt kam zu uns ins Theater“ – Das Fotoarchiv von Vera Tenschert ist erschlossen.

Helene Weigel, Christine Gloger, Günter Naumann, Martin Flörchinger u.a. in Die Mutter von Bertolt Brecht, 1967

Vera Tenschert, geboren 1936, hat bereits mit 12 Jahren den Wunsch, später einmal Fotografin zu werden. Nach einer Ausbildung am Berliner Lette Verein entdeckt sie während einer S-Bahn Fahrt, sozusagen zwischen Berlin Alexanderplatz und Berlin Zoologischer Garten, eine Zeitungsanzeige des Berliner Ensembles: Das Theater sucht eine Fotolaborantin / Fotografin. Eigentlich will sie sich – nach der erfolgreichen Ausbildung – der Modefotografie widmen. Da jedoch ein Theaterbesuch von „Mutter Courage und ihre Kinder“ einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat, bewirbt sie sich, gerade einmal 18-jährig, am Berliner Ensemble.  Nach ersten fotografischen Probeabzügen erhält sie rasch eine Zusage und bleibt dem Theater von 1954 bis 1991 verbunden.

In der kurzen Zeit bis zu Bertolt Brechts Tod, lernt sie ihn eher zufällig kennen. Es ergibt sich ein Gespräch über noch nasse Probenfotos und eine Aufnahmetechnik mit grobem Korn, die Brecht gut gefällt. Porträts von Bertolt Brecht aus dem Blickwinkel von Vera Tenschert sind leider nicht entstanden, da es ein generelles Verbot am Theater gibt, Brecht zu fotografieren. Diese Anweisung umgeht lediglich Hainer Hill, von dem man gedacht hat, er fotografiere ohnehin nur das Bühnenbild. Nach dem Umzug des Berliner Ensembles an den Schiffbauerdamm baut Vera Tenschert die Fotoabteilung im Theater mit auf. Ihre Aufträge teilt sie sich mit Percy Paukschta, mit dem sie bis 1989 eng zusammen arbeitet. Weitere Fotografen in dieser Zeit am Berliner Ensemble sind Ruth Berlau, Hainer Hill, Ruth Riedel und Ute Eichel. Später lernt sie dort auch ihren Mann, den Regisseur und Dramaturgen Joachim Tenschert kennen.

„Die Welt kam zu uns ins Theater“. Vera Tenschert war immer involviert in die gesamte Arbeit des Theaters, wie sie berichtet. Dazu zählen neben den vielen Gastspielreisen auch Besuche von ausländischen Gästen zu Aufführungen am Berliner Theater.

Das Besondere ihrer Fotografien, die grundsätzlich ohne Blitz entstanden sind, zeigt sich durch den ihr eigenen Blick für Details und Momentaufnahmen. Die Fotos wirken unmittelbar und geben eine Lebendigkeit wieder, da man ihnen ansieht, dass sie nicht gestellt sind.

Das fotografische Werk umfasst, neben Aufnahmen zahlreicher Theateraufführungen, Fotografien von Schauspieler*innen und Mitgliedern des Berliner Ensembles, sowie Porträt- und Rollenfotos von Helene Weigel und Ekkehard Schall. Zudem sind u.a. Fotografien von Ruth Berghaus, Heinrich Böll, Volker Braun, Paul Dessau, Peter Hacks, Stephan Hermlin, Gisela May, Heiner Müller, Joachim Tenschert, Peter Weiss, Manfred Wekwerth, Robert Wilson und Christa Wolf überliefert. Fotografien von Vera Tenschert befinden sich auch in anderen Beständen der Akademie der Künste, Berlin: in den Fotoarchiven des Bertolt-Brecht-Archivs, im Historischen Fotoarchiv Berliner Ensemble sowie in mehreren weiteren Beständen im Archiv Darstellende Kunst. Das Vera-Tenschert-Archiv ist nun abschließend bearbeitet, kann in der Datenbank online recherchiert werden und steht im Original allen Interessierten zur Verfügung.

Ansprechpartnerin: Anett Schubotz