1967

Otto Nagel

Der autodidaktische Maler und Zeichner Otto Nagel, Kollwitz-Freund und späterer Präsident der Deutschen Akademie der Künste, setzt sich in seinen Werken mit Themen der Berliner Arbeiterschaft auseinander. Die tägliche Begegnung mit den Menschen und seine stadtbildlichen Erinnerungen zwischen stillen Gassen und engen Mietshäusern machen die Intensität seiner Bilder aus. 1931 nehmen er und Kollwitz gemeinsam mit Otto Dix, Hannah Höch, Edvard Munch, Alice Lex-Nerlinger und Emil Nolde an der Ausstellung Frauen in Not teil, die auf Anregung der Zeitschrift Der Weg der Frau im Haus der Juryfreien stattfand. Die Verbundenheit zu Kollwitz veranlasste Nagel, sich auch nach ihrem Tod intensiv der Pflege und Erschließung ihres Werkes zu widmen.

Textbeiträge zur Preisverleihung

„Die Sektion macht diesen Vorschlag in der Überzeugung, dass es keinen Würdigeren unter den Künstlern der Deutschen Demokratischen Republik gibt, um den Jubiläumspreis zu empfangen, als Otto Nagel – den langjährigen treuen und bewährten Freund der Künstlerin.“ (Auszug Begründung)

Die Sektion Bildende Kunst der Deutschen Akademie der Künste schlägt vor, im Jahr der 100. Wiederkehr des Geburtstages der großen deutschen Künstlerin, Herrn Prof. Otto Nagel mit dem Käthe-Kollwitz-Preis 1967 auszuzeichnen.

Die Sektion macht diesen Vorschlag in der Überzeugung, dass es keinen Würdigeren unter den Künstlern der Deutschen Demokratischen Republik gibt, um den Jubiläumspreis zu empfangen, als Otto Nagel – den langjährigen treuen und bewährten Freund der Künstlerin.

Der Käthe-Kollwitz-Preis der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin wurde zur Förderung einer volksverbundenen realistischen bildenden Kunst gestiftet und wird alljährlich an einen Künstler verliehen, der mit seinem Schaffen für den Sozialismus wirkt. Das Werk Otto Nagels erfüllt diese Bedingung in beispielhafter Weise.

Otto Nagel kam aus dem Proletariat des Berliner Nordens. Er zeichnete und malte sein Milieu. Der Autodidakt wurde entscheidend durch die Freundschaft mit Käthe Kollwitz und Heinrich Zille geprägt. Es war die große Leistung Otto Nagels, deren Werk unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen und von der Position des proletarischen Klassenkämpfers her fortzusetzen. So reifte er zu einem bedeutenden Künstler von hoher Ausdruckskraft, weitab von den Experimenten des spätbürgerlichen Kunstbetriebes. Als einer der ersten Künstler zeigte Otto Nagel die unüberwindliche Kraft der Arbeiterklasse, sah er in den Arbeitern nicht nur die ausgebeuteten Opfer des Kapitalismus, sondern auch dessen Todfeinde und Bezwinger. Der Einfluss seines Werkes auf die Kunst unserer Tage ist in seinem gesamten Umfang noch schwer zu ermessen. Wir verehren in Otto Nagel einen Begründer der deutschen sozialistischen und realistischen Kunst.

Sein großes Können, seine reichen politischen und menschlichen Erfahrungen befähigen Otto Nagel, nach der Niederschlagung des Faschismus führende Positionen in unserem Staat zu bekleiden. So wurde aus dem ehemaligen Arbeiter und Maler des Wedding schließlich der Präsident der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin.

Doch nicht nur die großen künstlerischen Leistungen Otto Nagels, die im Geiste und in der Nachfolge Käthe Kollwitz’ entstanden, veranlassten die Akademie, ihn zum Träger des Käthe-Kollwitz-Jubiläumspreises zu erwählen. Es sind auch die unvergänglichen Verdienste, die er sich Jahrzehnte hindurch um das Werk der Käthe Kollwitz erworben hat. Otto Nagel hat zahlreiche Kollwitz-Ausstellungen veranlasst und betreut. Viele Menschen in Deutschland und im Ausland verdanken seiner Aktivität die erste Begegnung mit den Werken der Künstlerin. Mit der von ihm zusammengestellten und begleiteten ersten deutschen Kunstausstellung, die nach der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution in der Sowjetunion stattfand, brachte Otto Nagel auch Werke von Käthe Kollwitz nach Moskau. Er schuf damit wesentliche Voraussetzungen für den Einfluss, den das Schaffen der großen deutschen Künstlerin auf die junge sowjetische Kunst hatte.

Otto Nagel widmete sich auch intensiv der Pflege und Erschließung des Kollwitz’schen Werkes. In mehreren Veröffentlichungen hat er in den letzten Jahren das Leben und Schaffen der Künstlerin gewürdigt. Seine Kollwitz-Biografie und das Buch mit den Selbstbildnissen der Künstlerin zählen schon heute zu den Standard-Werken der Kollwitz-Literatur. Die bisherige Krönung seiner wissenschaftlichen Arbeiten ist ein Werkverzeichnis aller Handzeichnungen von Käthe Kollwitz. Es steht vor dem Abschluss; ein Teil des Manuskriptes wird demnächst dem Henschel-Verlag übergeben. Mit diesem Œuvre-Verzeichnis wird ein bisher nur sporadisch bekannter Bereich ihres Schaffens für die Öffentlichkeit erschlossen.