1981

Elizabeth Shaw

Die irische Grafikerin und Illustratorin Elisabeth Shaw zieht 1946 in den Ostteil Berlins und pendelt in der Zeit der deutschen Teilung zwischen Ost und West. Sie arbeitet als Karikaturistin für den Ulenspiegel, Frischer Wind, Vorwärts sowie Neues Deutschland und setzt ihre in Großbritannien begonnene Tätigkeit als Autorin fort. Shaw illustriert Brecht-Gedichte (1958) und Kinder- und Erwachsenenbücher unter anderem von James Krüss, Mark Twain, Erich Kästner und Hans Fallada. 1959 realisiert sie Porträts von 43 Mitgliedern der Deutschen Akademie der Künste (Ost). Neben ihren eigenen Werken adaptiert Shaw traditionelle britische Kinderbucherzählungen, wie Goldlöckchen und die drei Bären oder Die drei kleinen Schweinchen.

Textbeiträge zur Preisverleihung

„Elizabeth Shaw bereichert seit über dreißig Jahren das grafische Schaffen der DDR in spezifischer Weise. Ihr Weg als Künstlerin ist eng mit der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft in unserem Lande verbunden.“ (Auszug Begründung)

Die Sektion Bildende Kunst schlägt Elizabeth Shaw zur Auszeichnung mit dem Käthe-Kollwitz-Preis 1981 vor.

Elizabeth Shaw bereichert seit über dreißig Jahren das grafische Schaffen der DDR in spezifischer Weise. Ihr Weg als Künstlerin ist eng mit der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft in unserem Lande verbunden. 1946 kam sie zusammen mit ihrem Mann René Graetz, den sie 1944 im britischen Exil geheiratet hatte, zu uns. Sie gehört seitdem ebenso zu unseren führenden Karikaturisten wie zu den führenden Buchillustratoren, besonders auf dem Gebiet des Kinderbuches. Sie bereicherte unsere Kulturentwicklung besonders durch ihre Herkunft aus dem irischen und englischen Kulturkreis.

Es gelingt ihr, ein breites Publikum aller Altersgruppen durch ihre Kunst zu erreichen. Elizabeth Shaw ist eine der seltenen schöpferischen Persönlichkeiten des Cartoon, die heiter und mit künstlerischem Ernst Erkenntnisse fördern helfen. Ihre Arbeit für Kinder entspricht phantasievoll dem Aufnahmevermögen dieser Altersgruppe. Von ihr illustrierte Kinderbücher, deren Text sie oftmals selbst schreibt, wirken vergnüglich, warmherzig und unaufdringlich erziehend und bildend für die junge Generation. Ihre Illustrationen zu Gellert, zu Karl Marx, Mark Twain, Friedrich Wolf, Erich Kästner, Bert Brecht und Lothar Kusche sind in ihrer prägnanten Einfachheit das Ergebnis strenger künstlerischer Disziplin. Sie arbeitet dabei mit geringem zeichnerischem Aufwand, mit fast zartem und zugleich straff gespanntem Strich. Einige der von ihr illustrierten Bücher wurden als „Schönstes Buch des Jahres“ ausgezeichnet. Lizenzausgaben erschienen in Schweden, England, Finnland, Österreich, in der BRD und in der ČSSR.

Elizabeth Shaw hat der Karikatur, besonders der politischen, schon vor ihrer Übersiedlung aus England große Aufmerksamkeit geschenkt. Erstmalig im Januar 1947 wurde im Ulenspiegel eine ihrer Karikaturen bei uns veröffentlicht. Mit Frische und Unbekümmertheit hat sie die ganze internationale Politik für die Zeitschrift gezeichnet. Selbst ihre gewichtigsten politischen Blätter vermitteln einen Eindruck von Heiterkeit, ohne dass dem Gegner etwas geschenkt wurde. Später arbeitete sie auch für Frischer Wind, Neues Deutschland und Aufbau. Seit den frühen sechziger Jahren trat die Karikatur in ihrem Schaffen hinter die Buchillustration zurück.

Auch ihre zeichnerischen Reiseberichte über Städte und Dörfer in der DDR, in der Zeitschrift Magazin veröffentlicht, und ihre humorvollen Beobachtungen aus dem Alltagsleben haben zur Beliebtheit ihrer Kunst beigetragen.

Der Vorschlag zur Auszeichnung mit dem Käthe-Kollwitz-Preis beruht auf der Überzeugung, dass die Popularität des Werkes von Elizabeth Shaw aus dem Vermögen der Künstlerin erwächst, der Realität des gesellschaftlichen Lebens in der DDR verantwortungsbewusst, überzeugend und einprägsam künstlerisch zu entsprechen.

Laudatio von Lothar Kusche (vorgetragen von Ernst Kahler) anlässlich der Preisverleihung am 8. Juli 1981:

Einige freundliche Worte über Elisabeth Shaw

Die Akademie der Künste hat den liebenswürdigen Beschluss gefasst, die Grafik- und Lebens-Künstlerin Elizabeth Shaw mit dem Käthe-Kollwitz-Preis auszuzeichnen.

Diese Ehrung gilt nicht nur dem Andenken an Käthe Kollwitz und der Laureatin Elizabeth Shaw, sondern auch den Preis-Verleihern, die heute Aufhebens von einer Zeichnerin machen, die bislang niemals besonderes Aufheben von sich gemacht hat.

Freundlicherweise hat man mir den Auftrag gegeben, ein paar Worte über Elizabeth Shaw aufzuschreiben. Leider bin ich – aus so genannten technischen Gründen – nicht in der Lage, meinen Spruch hier selber aufzusagen. Gern hätte ich dies getan, weil ich kein Talent habe, Reden zu haben, und – wie jeder durchschnittliche Deutsche – das Bedürfnis verspüre, Reden zu halten. Mein alter Freund Ernst Kahler, der noch etwas älter ist als ich, hat sich bereit erklärt, meinen Text vorzutragen, wofür ich ihm herzlich danke.

Sich zu Ehren von Elizabeth Shaw zu äußern, ist der Verfasser dieser Zeilen insofern prädestiniert, als er seit vielen Jahren zu ihren Liebhabern gehört.

Es wird darum gebeten, diese Bemerkung nicht im vulgären Sinne wörtlich zu nehmen.

Soweit ist es leider nie gekommen.

Elizabeth Shaw ist, was die meisten von Ihnen wissen, eine schöne und charmante Frau.

Dafür kriegt man natürlich noch keinen Preis.

Warum eigentlich nicht?

Ich habe in dieser Beziehung keine Befugnis, Vorschläge zu unterbreiten.

Elizabeths Charme ist von trockenem Charakter, wie man ihn beispielsweise auch an trockenem Sekt zu schätzen weiß. Vor einigen Jahren war Frau Shaw Gast einer Dresdner Kinderbibliothek. Großer Andrang! Lauter Shaw-Fans, die Elizabeths unverwechselbare Kinderbücher lieben. Nach der allgemeinen Vorstellerei fragte die Leiterin der Bücherei: „Frau Shaw – würden Sie so freundlich sein, eine kleine Zeichnung für unser Gästebuch zu machen?“ Die Künstlerin raunte mir ins Ohr: „Mit was soll isch das machen? Hastu vielleischt einen Filzstift oder ein Kugelschreiber oder sowas?“

So isses nämlich. Sie bringt nie unterschriebene Star-Fotos oder sowas mit. Das würde zu ihr auch gar nicht passen.

Man müsste vielleicht – um bei einem solchen feierlichen Anlass das Wort ergreifen zu dürfen – ein professioneller Kritiker der bildenden Kunst sein.

Dazu habe ich es nie gebracht, weil ich schon in früher Jugend Gelegenheit hatte, die deutsche Sprache zu erlernen.

Dies ist vielleicht eine unartige Bemerkung, die ich als guter Deutscher sofort zurücknehme – um meinen Weltbühnen-Kollegen Lothar Lang ins Spiel zu bringen. Lothar Lang hat im Laufe seiner Karriere immer wieder bewiesen, dass er nicht nur von den Künsten, sondern auch vom Schreiben was versteht. Vor ein paar Jahren ist Lang auf den Trick gekommen, zur Vorstellung von Künstlern zunächst die Behausung zu beschreiben, in denen sie ihre Kunst produzieren. Das mache ich dem Kerl natürlich nach.

[...] In Frau Shaws Wohnung erfreut man sich zunächst an hohen und hellen Räumen, nicht mit Möbeln vollgestopft. Licht und Luft ist da! Man fühlt sich wohl, man fühlt sich leicht.

Hier – denkt man – arbeitet diese Dame, die viele von uns verehren. Hier produziert sie ihren einmaligen Witz?

Mit dem geringsten Aufwand an Filzstift- oder Kugelschreiber-Flüssigkeit?

Das allein ist, denke ich, nicht ihr Geheimnis.

Es ist nicht Elizabeth Shaws Witz allein. Witz kann man sich vielleicht angewöhnen (obwohl ich in dieser Sache nicht ganz sicher bin). 

Aber die Grazie, welche diesen Witz der Elisabeth Shaw so zauberhaft macht [...] diese Grazie muss man in seinem Wesen mitbringen. In der DDR können wir graziösen Witz so gut brauchen. Warum soll denn das alles im Inland bleiben!

In absentia: Glückwunsch für Elizabeth Shaw!

Tonmitschnitt der Preisverleihung

Danksagung (Elizabeth Shaw)