Große Klausstraße, aus der Serie Häuser und Gesichter, Halle 1983–1985, © Nachlass / estate Helga Paris (www.helga-paris.de)

Diva in Grau

Fotografien, Texte, Film

Inspiriert von Helga Paris’ Bildband Diva in Grau, erschienen 1991, ist der Abend verschiedenen Perspektiven auf die Stadt Halle gewidmet, die zwischen 1982 und 1992 entstanden.

Die Oberen der Stadt verhinderten in einem jahrelangen Kampf, dass das Bild, das Helga Paris in den achtziger Jahren von Halle machte, keine Öffentlichkeit bekam. 1990, als die Menschen sich nicht mehr vorschreiben lassen wollten, was man sehen und hören darf, wurden ihre Fotografien in der Stadt Halle ausgestellt. Sie zeigen, was 40 Jahre DDR aus der Renaissancestadt an der Saale gemacht hatten. Es sind Bilder von feinsinniger Genauigkeit, schmerzlich schön in ihrer Klarheit. Wie sich die Menschen im freundlichen Blick der Fotografin spiegeln: trotzig, kühn und mit unerschütterlichem Humor.

Bislang nahezu unbekannt ist das fotografische Werk des 2023 verstorbenen Kameramannes Thomas Plenert, der zwischen 1977 und 2021 zahlreiche Dokumentar- und Spielfilme u. a. von Jürgen Böttcher, Volker Koepp und Helke Misselwitz realisierte. Wie in den Filmen, so gelingen ihm in nonchalanter Beiläufigkeit Bildkompositionen, die der Trostlosigkeit des berüchtigten Hallenser Neubaugebietes, im Volksmund „HaNeu“ genannt, ihre abstrusen Züge aufzeigen.

1992, als Thomas Heise mit dem Kameramann Sebastian Richter nach Halle reist, um über rechtsextreme Jugendliche einen Film zu machen, erfährt er eine anders gewordene Stadt. Die versprochenen blühenden Landschaften bleiben für die vielen arbeitslos gewordenen Arbeiterinnen und Arbeiter eine Chimäre ebenso wie für die Jugendlichen, die nun ihr Heil in nationalsozialistischen Posen suchen.

In Stau – jetzt geht’s los zeigen sich die Sollbruchstellen nach dem kurzen Moment der Euphorie. Wer sind nun die Gewinner, wer die Verlierer? Thomas Heise hört zu und spricht mit denen, die die meisten ausgrenzen. Dass Thomas Heise den politischen und ökonomischen Ursachen nachgeht, sich aber einer Bewertung enthält, wurde dem Film seinerzeit massiv vorgeworfen.

„Diese Stadt war immer schwarz. In ihren schwarzen Minen trug sie zur Schau, wie sie ernsten, erwachsenen, unzugänglichen Gründen und Schlüssen verhaftet sei, ständig: zugangs und zugegen zwischen Gründen und Schlüssen. […] Ich kam mit elf in diese Stadt und nahm es mit ihr auf, ‚im Zugzwang‘ mit ihrer übermächtigen Unterlegenheit.“*

Die Dichterin Elke Erb kam mit 11 und verließ die Stadt, als sie 28 wurde. Die „Lebensfreundin“ von Helga Paris hat dem Bildband ihre eigenwilligen Texte vorangestellt. Neben den bereits ikonischen Bildern werden an diesem Abend auch neue Funde aus dem Nachlass von Helga Paris zu sehen sein.

Die Dichterin Elke Erb, die Fotografin Helga Paris, der Kameramann und Fotograf Thomas Plenert und der Regisseur Thomas Heise zeigen, was ist, was sich abgelagert hat, in den Häusern und Gesichtern von Halle. In der beschreibenden Erinnerung finden sich Gründe für Gegenwart und Zukunft.

Der Abend, den die Regisseurin Helke Misselwitz kuratiert hat, ist auch ein Abschied von Lebens- und Arbeitsgefährten, die mit ihrem präzisen und sensiblen Blick auf die Stadt uns etwas Universelles hinterlassen haben.

Die Veranstaltung mit dem Titel „Diva in Grau“ widmet sich diesen vier Künstlerinnen und Künstlern, die durch die Stadt Halle wie mit einem Band verbunden sind. In den Fotografien, Texten und Film werden unterschiedliche künstlerische Zugänge in Beziehung gesetzt.

Mitwirkende: Hermann Beyer und Jeanette Spassova lesen die Texte.

Unser Dank geht an Jenny Paris und Gudrun Steinbrück-Plenert.

*Aus: Diva in Grau, Häuser und Gesichter in Halle. Fotografien von Helga Paris, Mitteldeutscher Verlag, Erstauflage 1991, 5. neu gestaltete Auflage 2024

Dienstag, 27.5.

19 Uhr

Hanseatenweg

Studio

Mit Helke Misselwitz, Hermann Beyer und Jeanette Spassova

Fotografien von Helga Paris und Thomas Plenert

Texte von Elke Erb

Stau – Jetzt geht’s los, D 1992, 85 min
Dokumentarfilm von Thomas Heise

In deutscher Sprache

€ 7,50/5