4.4.2018, 13 Uhr

Mehr Zukünftigkeit für die Demokratie

In ihrer Begrüßung zur Verleihung des Heinrich-Mann-Preis an Christian Bommarius am 27.3.2018 betonte Akademie-Vizepräsidentin Kathrin Röggla die Notwendigkeit, heute dem demokratischen Heinrich Mann zuzuhören. Die gesamte Rede können Sie hier nachlesen:



Sehr geehrter Christian Bommarius, sehr geehrter Heribert Prantl, lieber Hanns Zischler, meine sehr geehrten Damen und Herren,

Heinrich Mann, dem wir heute in dieser Veranstaltung wieder begegnen dürfen, hat ein reiches intellektuelles Erbe hinterlassen. Da gibt es den Romancier Heinrich Mann, der Autor des Untertan oder des Professor Unrat, den Historiker Heinrich Mann mit Henri Quatre oder Ein Zeitalter wird besichtigt, den Liebhaber der Künste. Vielleicht werden wir heute aber besonders dem einen, dem demokratischen Heinrich Mann begegnen, dem streitbaren politischen Essayisten. Er hat sich in Émile Zola, dem großen französischen Naturalisten, ein Beispiel gesucht für die eigene Situation mitten in einem Kriegstreiben, das Intellektuelle und Künstler so eingesponnen hat, auch seinen Bruder.

Heinrich Mann hat in dieser Situation seinen Anwalt in Frankreich gesucht und gefunden. Und vielleicht sollten wir etwas Ähnliches tun, vielleicht hilft diese Beziehung quer über den Kontinent, und quer über ein Jahrhundert, das wir so gar nicht überblicken können und das uns dennoch andauernd einholt. Schließlich sind es Zeiten, in denen wieder deutlich wird, dass Demokratie permanent zu verteidigen ist, ja, mehr noch, es muss für sie gekämpft werden, vielleicht, gerade, weil sie noch immer so selbstverständlich wirkt, obwohl sie gefährdet ist. „Im Namen der Wahrheit, die sein Werk beseelt", schreibt Heinrich Mann über Zola, „wird er die Demokratie retten." Heute haben wir große Probleme mit dieser Wahrheit, Probleme, die vielleicht älter sind, als wir glauben wollen, und zugleich immer jünger als unsere Ansätze, mit ihnen zurecht zu kommen. Zudem bräuchten wir auch ein wenig mehr Zukünftigkeit, wie Heinrich Mann es durch sein literarisches Futur an dieser Stelle erzeugt.

Insofern freut es mich sehr, dass gerade Heribert Prantl die Laudatio auf Christian Bommarius, unseren Preisträger, halten wird. Denn ihn haben wir als Verfechter des Rechtsstaates und der liberalen Demokratie kennengelernt – ich brauche ihn kaum vorzustellen, zu sehr ist er uns bekannt, nicht nur als leitender Redakteur der Süddeutschen Zeitung, auch als Verfasser zahlreicher Bücher, kürzlich Die Kraft der Hoffnung, Gebrauchsanweisung für Populisten und Trotz alledem! Europa muss man einfach lieben – er ruft uns in vielfältiger öffentlicher Funktion in Erinnerung, dass Hoffnung und Demokratie zusammengehören, dass Rechtsstaat und europäische Idee gleichermaßen zu verteidigen sind und eine öffentliche Diskussion mehr den Argumenten gehören sollte und weniger der böswilligen Polemik. Sein Buch zum Grundgesetz mag eine Verbindung zu unserem Preisträger herstellen, den es heute zu feiern gilt. Über Christian Bommarius werden wir gleich von seinem Laudator mehr hören.

Hanns Zischler, unser Mitglied aus der Sektion Literatur, wird nach den Preisreden uns dankenswerterweise eine Passage aus dem Essay über Zola lesen und uns – er ist ja selbst Essayist und Heinrich-Mann-Preisträger – in seiner unvergleichlich präzisen Art zurückführen zu dem Namensgeber dieses Preises für Essayistik, zu deren Verleihung Sie hier gekommen sind. Zugesprochen wurde er von Steffen Martus, Gustav Seibt und der Preisträgerin des letzten Jahres, Gisela von Wysocki, die ich hier begrüßen darf. Auch unseren treuen Gast, Ludík Mann, der Enkel Heinrich Manns, möchte ich herzlich willkommen heißen.

Kathrin Röggla