26.8.2013, 18 Uhr

Akademie der Künste trauert um Katja Paryla

Foto Dieter Wuschanski

Für Katja Paryla war das Theater zuerst und vor allem ein Ort der Menschlichkeit. Der Ort, an dem Menschen etwas miteinander erleben können, an dem Geschichten erzählt werden, an dem man berührt wird. Ein Ort der echten Emotionalität – die dennoch künstlerisch geformt ist. Das Vertrauen in dieses Doppelte des Theaters machte auch ihre Bedeutung als Schauspielerin aus. Eine schöne, kraftvolle und sinnliche Erscheinung mit viel Sinn für Komik, die aber nicht festzulegen war auf einen Typ, sondern verwandlungsfreudig und detailgenau immer auf der Suche. Gerade die großen tragischen Frauenrollen, die Iphigenie oder die Medea, die sie mit Alexander Lang in den 1980er Jahren am Deutschen Theater erarbeitete, konnte sie mit großer psychologischer Klarheit erfahrbar machen. Viele Jahre war Alexander Lang ihr wichtigster künstlerischer Partner und auch ihr Mann und Vater ihres Sohnes Alexej.

Katja Paryla wurde 1940 in Zürich geboren und entstammte einer bedeutenden Theaterfamilie. Ihre Mutter Selly und ihr Vater Emil waren beide Schauspieler, letzterer nahm den Nachnamen seiner Mutter an, „Stöhr“, um nicht mit seinem berühmten Bruder Karl Paryla verwechselt zu werden. 1946 übersiedelte die Familie nach Wien, zehn Jahre darauf nach Ostberlin. Hier erwarb Katja Paryla an der Kunsthochschule Weißensee zunächst ein Diplom in Modedesign, entschloss sich dann aber, ihr gestalterisches Talent in den Dienst der Menschenzeichnung zu stellen und trat das Bühnenerbe ihrer Familie an. 1961 bis 1963 studierte sie an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“, war dann an der Volksbühne engagiert, ab 1967 am Maxim Gorki Theater, von 1976 bis 1990 am Deutschen Theater, danach, im vereinten Berlin, am Schiller Theater. Sie, die in der DDR eine der prägenden Darstellerinnen gewesen war und die Kraft und Bedeutung des Theaters hautnah erlebt hatte, wurde von der Schließung der Westberliner Staatsbühnen 1993 schwer getroffen. Vielleicht um nicht noch einmal als Ensemblemitglied Spielmasse für Politiker zu werden, widmete sie sich damals mehrere Jahre lang ausschließlich der Regiearbeit, die sie Ende der 1980er Jahre begonnen hatte. Erst 2008 war sie als Schauspielerin in Düsseldorf in der Uraufführung von Jan Neumanns „Herzschritt“ wieder zu sehen.

1994 wurde Katja Paryla Oberspielleiterin in Weimar, von 2004 bis 2008 war sie Schauspieldirektorin in Chemnitz. Auch als Regisseurin ging es ihr stets um das Menschliche und alltäglich Politische, ohne darüber den an Alexander Lang geschulten Blick für Widersprüche und Typologien zu verlieren. 2011 inszenierte sie in Greifswald Gorkis „Nachtasyl“ in der Ausstattung von Alexej Paryla.

Katja Paryla war seit 1990 Mitglied der Akademie der Künste. Gestern, am 25. August, ist sie im brandenburgischen Wölsickendorf im Alter von 73 Jahren gestorben. Die Akademie trauert um eine starke und lebenskluge Künstlerin, für die die Bühne ein Ort des Lebens war.


Klaus Staeck
Präsident der Akademie der Künste