17.9.2020, 16 Uhr

„Reisen ist die beste Lebensform.“ Akademie der Künste übernimmt das Archiv von Werner Helwig

Tagebuch der Süd-Afrika-Schiffsreise, 24. Juni – 14. September 1966

Tagebuch der Süd-Afrika-Schiffsreise, 24. Juni – 14. September 1966

Tagebuch der Süd-Afrika-Schiffsreise, 24. Juni – 14. September 1966

Das Archiv der Akademie der Künste hat den umfangreichen Nachlass des Schriftstellers Werner Helwig übernommen. Sein 1968 in einem Brief an die Mutter formuliertes Motto „Reisen ist die beste Lebensform“ spiegelt sich eindrücklich in den nachgelassenen Papieren wider.

1905 in Berlin geboren, fand er nach der Scheidung der Eltern Halt in der Wandervogelbewegung, der er Zeit seines Lebens verbunden blieb. Autodidaktisch eroberte Helwig sich die Welt der Literatur, Kunst und Musik. Seine Abenteuerlust und sein ethnografisches Interesse führten ihn ab den 1920er Jahren in viele Länder der Erde. Diese Reiseerlebnisse thematisiert er von Anbeginn in seinen Büchern, wie schon die erste Veröffentlichung unter dem Titel Die Ätna Ballade (1934) belegt. Auch in vielen anderen der circa 50 zwischen 1934 und 1985 erschienenen, oft autobiografisch geprägten Büchern, sind Länder des Südens oder Nordens, so z.B. Griechenland, Italien, Island Schauplatz der Handlung. Die Erlebnisfülle seiner Unternehmungen und Erfahrungen auch als Mitglied des Nerother Wandervogel nutzte Helwig gleichzeitig, um durch zahlreiche publizistische Texte in Zeitungen und Zeitschriften, darunter FAZ, Akzente, Frankfurter Hefte, Merkur, Neue Rundschau oder Westermanns Monatshefte, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Während seine Bücher eher kleinere Auflagen hatten, erreichte er durch seine Essays eine viel größere Leserschaft. Jahrzehntelang schrieb er Porträtserien über Schriftsteller, bildende Künstler und Musiker – von Scholem Alejchem über Ernst Barlach, Martin Buber, Ludwig Hohl, Ezra Pound, Richard Wagner und Robert Walser bis zu William Butler Yeats. Sowohl Manuskripte und Druckbelege seiner Bücher als auch dutzende Ordner mit publizistischen Texten aus seiner gesamten schriftstellerischen Arbeit sind im Archiv überliefert. Persönliche Dokumente und Fotos aus allen Lebensphasen liefern detaillierte Einblicke in das widerspruchsvolle Dasein eines Suchenden und Getriebenen. Dazu gehört auch seine ambivalente Haltung während der Zeit des Nationalsozialismus zwischen Anpassung und Flucht. Sein literarisches Debüt 1934 erschien in der Rabenpresse; bis 1941 wurden sieben weitere Bücher in verschiedenen Verlagen veröffentlicht, darunter 1939 der erste, recht erfolgreiche Band seiner Hellas-Trilogie unter dem Titel Raubfischer in Hellas. Helwig erzählt darin vom abenteuerlichen Leben eines Freundes, der jenseits der gängigen Normen ein freies und ungebundenes Lebens an der ägäischen Küste zu führen versucht und dabei in die Fänge von gefährlichen Dynamitfischern gerät.

Ob in der Mittelmeerregion oder anderswo – die Urgeschichte der Menschwerdung mit ihren Mythen, Märchen und Göttern übte eine magische Wirkung auf Helwig aus. Die Mischung aus Reise- und Abenteuergeschichte macht die Lektüre spannend, lässt den Leser manchmal auch mit Fragen zurück.

Das Archiv bietet die Möglichkeit, sich dem Werk zu nähern und neben den Romanen auch seine Novellen, Erzählungen und Gedichte neu zu entdecken. Eine facettenreiche Materialsammlung zur Jugendbewegung  einschließlich Helwigs Werk Die Blaue Blume des Wandervogels. Vom Aufstieg, Glanz und Sinn einer Jugendbewegung führt zu den Anfängen seines Schreibens zurück. Zahlreiche Tage-, Notiz- und Werknotizbücher, Reisetagebücher sowie thematische Konvolute u.a. zu Theodor Däubler, Stefan George, Knut Hamsun, Kurt Heynicke, Hans Henny Jahnn, Rudolf Pannwitz und Rainer Maria Rilke verdeutlichen die Bandbreite und Widersprüchlichkeit seiner Gedankenwelt. Diese wird auch in den Briefwechseln unter anderem mit Gottfried de Beauclair, HP Ehrbar, Irma Frick, Ernst Fuhrmann, Hai & Topsy Frankl, Ernst Jünger, Salcia Landmann und Brecht Stempel sowie mit Verlagen und Redaktionen sichtbar.

Ansprechpartnerin: Maren Horn, Literaturarchiv