29.6.2022, 11 Uhr

„Gerade jetzt erweist sich die Europäische Allianz der Akademien als eine wichtige transnationale Plattform.“

Am 28. und 29. Juni 2022 lädt die Europäische Allianz der Akademien zur Konferenz „Contested Histories, Shared Futures“ nach Amsterdam ein. Hier lesen Sie die Begrüßungsrede der Präsidentin der Akademie der Künste, Jeanine Meerapfel.

Liebe Liesbeth Bik,
liebe Freunde,

seit der Gründungskonferenz der Europäischen Allianz der Akademien im Oktober 2020 in der Akademie der Künste in Berlin hat sich der Blick auf Europa verändert. Ich sprach zur Eröffnung über beunruhigende Entwicklungen in vielen europäischen Ländern (darunter auch Deutschland), über das Erstarken undemokratischer Tendenzen, nationaler Egoismen und Grenzziehungen, die Akzeptanz menschenverachtender Vorgänge an den Grenzen Europas zur Wahrung der eigenen „Komfort Zone“. Ich sprach darüber, dass noch Meilensteine überwunden werden müssen, um die im Artikel 1a im Vertrag von Lissabon (2007) beschriebenen Werte zu etablieren:

„… die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“

Ich schloss meine Ansprache mit den Worten, dass das Manifest der Europäischen Allianz der Akademien unseren Willen zeigen soll, gemeinsam Europa zu dem zu machen, was versprochen war: ein transnationales Friedensprojekt.

Das Wort „Krieg“ erschien in meiner Rede nur als Phänomen der Vergangenheit, ich sprach von der Verantwortung für die verheerenden Auswirkungen und Zerstörungen der Weltkriege und der kolonialen Eroberungskriege. Heute – nicht einmal zwei Jahre später – ist eine Zeit, in der es keine Worte gibt oder zu viele Worte, die alle nicht passen. Das eine Wort, das uns alle beschäftigt ist: Krieg. Wir dachten, wir leben in einer begnadeten Zeit, ohne Krieg. Wir haben nicht nach Syrien geschaut, nicht nach Afghanistan, nicht nach Somalia. Wir lebten in einer Zeit, in der wir die Kriege weit weg von uns wähnten. Und nun finden wir keine Worte, oder zu viele Worte, um das zu beschreiben, was in der Ukraine geschieht. Und wir winden uns in Widersprüchen: keine Waffen, mehr Waffen, schwerere Waffen.

Abwarten, Handeln, Gesicht zeigen, vorsichtig sein.

Es gibt offene Briefe dagegen und offene Briefe dafür. Das intellektuelle Deutschland kämpft auf diese Weise. Mit Worten; gegeneinander. Geht es darum, diesen Wahnsinn aufzuhalten, oder geht es darum, wer Recht hat?

Gerade jetzt erweist sich die Europäische Allianz der Akademien mit ihren derzeit 67 Partnern aus 25 europäischen Ländern als eine wichtige transnationale Plattform. Die Diskussionen der letzten Wochen über unterschiedliche politische Narrative in Ost und West waren äußerst erkenntnisreich. Und eines ist gelungen: Der Wille der zahlreichen Partner*innen, sich gemeinsam für den Frieden in Europa einzusetzen, ist größer als das Beharren auf der alleinigen Richtigkeit der eigenen Position.

Wir wollen sowohl transnational als auch lokal wirken. Daher freut es mich sehr, dass wir nach Auftritten in Berlin, Budapest und Madrid mit der heute beginnenden, zweitägigen Konferenz in Amsterdam sind. Ich bin der Amsterdamer Akademie van Kunsten sehr dankbar, dass sie diese Konferenz zusammen mit der Berliner Akademie der Künste und weiteren Partnerinstitutionen der Europäischen Allianz der Akademien umsetzen. Ich danke insbesondere Liesbeth Bik und Geertjan de Vugt – aber natürlich auch allen weiteren Beteiligten, den Podiumsteilnehmenden, allen Beteiligten vor und hinter den Kulissen. Und ich danke der Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) die die heutige Veranstaltung finanziell unterstützt. 

Kunst klärt auf, hebt Geschichte und Geschichten auf, erinnert. Aber woran? Und wie? Die letzten Wochen haben wieder einmal gezeigt, dass gemeinsame Sichtweisen stets neu verhandelt werden müssen, auch die Sichtweisen auf die Vergangenheit. So wirft die Konferenz heute und morgen einen Blick auf die Vergangenheit, diskutiert Handlungsoptionen im Umgang mit dem kulturellen Erbe und deren Konsequenzen zur Gestaltung von Gegenwart und Zukunft. 

Morgen werden wir uns in internen Arbeitsgesprächen damit befassen, wie wir das Engagement der zahlreichen Partner der Europäischen Allianz zur Gestaltung Europas positiv nutzen können. Und ich hoffe sehr, dass sich auch die Gäste unserer öffentlichen Panels von dem Engagement der Protagonisten inspirieren lassen. Denn ein gerechteres und solidarisches Europa zu schaffen gelingt nur, wenn wir alle unsere Kräfte bündeln. Nur gemeinsam sind wir in der Lage, eine Europäische Identität zu generieren, die sich durch eine Einheit in Vielfalt auszeichnet, die die verschiedenen europäischen Länder miteinander verbindet und doch Raum für Unterschiede lässt, in der wir Verantwortung füreinander übernehmen und voneinander lernen.

Vielen Dank.